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Archiv-Artikel

Der genervte Rauchmelder

„Wir Raucher sind es leid, ins soziale Abseits gedrängt zu werden“

aus Hamburg BARBARA BOLLWAHN

Mit militanten Nichtrauchern kann Claus Hönig nicht diskutieren. Die werfen ihm vor, mit schuld zu sein am Tod von Passivrauchern, und halten ihm Bilder von schwarzem Lungengewebe unter die Nase. Manchmal bekommt er Briefe, die „nicht nett“ oder „böse“ sind. Hönig vertritt die Interessen der über 20 Millionen Raucher im Lande. Er ist Sprecher des Raucherclubs Deutschland, kurz RCD.

Alle Jahre wieder, vorwiegend in nachrichtenarmen Sommermonaten, preschen Politiker aller Couleur, sowohl Hinter- als auch Vorderbänkler, vor, um mit Forderungen nach Rauchverboten für Schlagzeilen zu sorgen und die Nation zeitweise zu entzweien. So wie jüngst der bayerische Gesundheitsminister Eberhard Sinner (CSU). Der will rauchfreie Gaststätten. Oder die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD). Die fordert, dass Nichtrauchen in der Öffentlichkeit der Normalfall werden müsse (siehe Kasten).

Immer wenn solche Rauchzeichen aufsteigen, sieht sich Claus Hönig genötigt, sich zu Wort zu melden. Rauchmelder zu spielen.

Zu den Antiraucher-Schlagzeilen passt der Spruch auf der Homepage der Kommunikationsgesellschaft in Hamburg-Eppendorf, in der Hönig Geschäftsführer ist und Kundenzeitschriften und Berichte für Unternehmen erstellt. „Wir sorgen für Schlagzeilen“, heißt es da. Mit dunkelblauer Hose und weißem Hemd sitzt der 41-Jährige mit der runden Brille und dem tiefen Grübchen im Kinn in einem Café vor seinem Büro. Auch hier passt das eine zum anderen: Hinter ihm steht ein Fahrradständer und vor ihm ein Aschenbecher, beide in Dunkelblau und mit dem Gauloises-Werbespruch „Liberté toujours“. Hönig zündet sich eine Marlboro an und erzählt von der Gründung des RCD 1996.

„Das kam aus einer Bierlaune heraus.“ Er und sechs Freunde, die sich regelmäßig treffen, hatten es satt, sich als Raucher „unterbuttern“ zu lassen. So entstand an einem lauen Sommerabend die Idee des Raucherclubs. Zur Gründung eines eingetragenen Vereins reichen sieben Personen. Unter den sieben Vereinsgründern, so betont Hönig, sei auch ein Nichtraucher. Den Vorsitz hat der Friseur Gerhard Meir, der in Hamburg, München und Berlin Prominenten an die Haare geht. Ein Freund von Hönig ließ sich von Meir die Haare schneiden und gewann Meir dabei für den RCD. Der Haarkünstler darf sich seitdem Vereinspräsident nennen. Nach dem Motto „Mensch, wir wollen uns das Genießen nicht vermiesen lassen“ treffen sich die Vereinsmitglieder, wie auch schon vorher, mehr oder weniger regelmäßig zu privaten Runden in Hamburg, Berlin oder Hannover.

Außer den sieben Vereinsgründern gibt es keine Mitglieder. Millionen Deutsche rauchen einfach. Wenn sich Raucher bei Hönig melden, die sich im Verein engagieren wollen, schlägt er ihnen vor, Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben. Manchmal tut er das auch selbst. Kürzlich nannte er in einer Zuschrift an das Hamburger Abendblatt das derzeit diskutierte Rauchverbot in Gaststätten „einen politischen Amoklauf“.

Im Gespräch verwendet er solchen harten Tobak kaum. „Wir sind keine militanten Raucher“, sagt Hönig und zieht an seiner Zigarette. Ihm geht es nicht darum, Krankenhäuser, Busse oder Kindergärten zu Raucherzonen zu erklären. „Nicht immer und überall.“ Klamotten, die nach Rauch riechen, nerven ihn genauso wie stinkende Aschenbecher. Doch Einschränkungen in Cafés, auf Bahnhöfen oder Flughäfen, das geht ihm zu weit.

Hönig nerven die alljährlichen Diskussionen um den blauen Dunst. Als die Deutsche Bahn ankündigte, auf Dutzenden von Bahnhöfen das Rauchen bis auf kleine Bereiche zu verbieten, forderte er eine komfortablere und pünktlichere Beförderung der Kunden statt „Politik zu machen mit schlagzeilenträchtigen Maßnahmen“. Die von ihm prognostizierte Reaktion, dass Raucher „auf die Barrikaden“ gehen würden, trat aber nicht ein. Und selbst angesicht der Aussicht, für eine Packung Zigaretten bald mehr als vier Euro zu bezahlen, bleibt es still im Karton.

Im Grunde genommen geht es eigentlich nur darum, dass sich der Raucherclub zu Wort meldet, wenn wieder jemand gegen den Rauch zu Felde zieht. Ist der RCD nichts weiter als viel Rauch um nichts? Hönig schüttelt den Kopf und lacht. „Warum sollen Raucher fürs Rauchen werben?“, fragt er zurück. Vereinsmeierei ist nicht sein Ding.

Deshalb beschränkt er sich darauf, Stellungnahmen abzugeben. Wie zum Weltnichtrauchertag zum Beispiel, der immer am 31. Mai ausgerufen wird. Während die Bundesvereinigung für Gesundheit e.V. dann jedes Mal Statistiken anführt, nach denen jährlich über 100.000 Menschen am Rauchen und seinen Folgen sterben, fordert Hönig im Gegenzug, das Recht auf freie Entscheidung nicht einzuschränken. Immerhin profitiere der Staat am Verkauf von Tabakwaren durch Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz ist für Hönig „staatliche Gängelung“. Der „Gegenseite“ wirft er vor, ohne Belege zu behaupten, dass Nichtraucher in Gegenwart von Rauchern riskierten, an Lungenkrebs zu erkranken. „Wir Raucher sind die Versuche von wenigen lautstarken Gruppierungen und wohlmeinenden Zeitgenossen leid, uns ins soziale Abseits zu drängen“, klagt er.

Am allermeisten nervt es ihn, dass das Thema Rauchen in nachrichtenarmen Zeiten „immer ein willkommenes Thema für Menschen ist, die sich wichtig nehmen“. Die mahnenden Äußerungen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung nimmt er schlicht nicht ernst. Den bayerischen Gesundheitsminister Sinner speist er mit zwei Worten ab. „Von Sinnen.“ Dann schickt er doch noch zwei Worte hinterher. „Politischer Irrsinn.“

Oft fragt sich Hönig, wenn er die Argumente von Politikern unsachlich findet, „ob man die noch unterstützen soll“. Dabei ist er selbst Parteimitglied. Noch bevor er mit dem Rauchen anfing, trat der gebürtige Allgäuer, der seit 25 Jahren in Hamburg lebt, den Jusos bei. An der Schule, die er besuchte, gab es für seinen Geschmack zu viele Junge-Union-Mitglieder. Hin und wieder hat er daran gedacht, die SPD zu verlassen. Doch nicht, weil nichtrauchende sozialdemokratische Politiker seine Rechte beschneiden wollten, sondern wegen wirklich politischer Turbulenzen. Als Helmut Schmidt, der leidenschaftliche Raucher, als Kanzler keine Mehrheit mehr bekam, da dachte Hönig an Parteiaustritt. Doch er ist geblieben.

Die erste Zigarette hat Hönig mit 15 Jahren geraucht, zusammen mit einigen Freunden. Heimlich im Wald. „Daran habe ich keine gute und auch keine schlechte Erinnerung“, sagt er. Dann mit 19, er war bei der Bundeswehr, begann er mit dem Rauchen. Die Eltern, der Vater ist Raucher, die Mutter Nichtraucherin, machten ihm keinen Stress. Seitdem raucht Hönig im Schnitt eine Schachtel am Tag. Nachdem er so ziemlich alle Marken durchprobiert und sich von diversen Werbungen beeinflussen ließ, hat er sich irgendwann für Benson & Hedges entschieden. „Simply Gold“, das passt zu Hönig. Weil die aber nicht in allen Automaten zu haben sind, begnügt er sich auch mit Marlboro, der weltweit beliebtesten Marke.

„Mensch, wir wollen uns das Genießen nicht vermiesen lassen“

Wird Hönig weniger rauchen, wenn die Tabaksteuer wieder erhöht wird? „Sicher nicht“, antwortet er prompt. „Aber es reicht jetzt“, schimpft er. „Erst Rauchen für den Frieden, dann für die Gesundheit.“ Der Spott in seiner Stimme ist nicht zu überhören. „Warum wird nicht die Branntweinsteuer erhöht?“, fragt er. Gerecht würde er es finden, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen zur Kasse gebeten werden. „Aber so werden die Raucher zur Melkkuh der Nation.“ Das EU-weite Tabakwerbeverbot nennt er überflüssig und wirtschaftlich ungerecht. Damit ginge die Meinungsvielfalt verloren und Marken könnten sich nicht mehr etablieren.

Gefragt nach Angst vor Lungenkrebs, legen sich Falten auf die Stirn von Hönig. Doch nur für wenige Sekunden. „Das ist kein schönes Thema“, sagt er und lacht die Stirnfalten weg. Bei Bildern von Raucherlungen schaut er „nicht so hin“. Sicher sei Rauchen ein gesundheitlicher Risikofaktor. Aber einer unter vielen, schiebt er hinterher. Es sollte jedem selbst überlassen bleiben, wie er mit seiner Gesundheit umgeht.

Manchmal überlegt Hönig, aufzuhören. Es sind aber mehr so Gedankenspiele. Denn er will auf den Genuss und die Entspannung nicht verzichten. Genauso wenig wie auf einen Espresso nach dem Essen oder einen Wein am Abend. „Ich kann mir keinen Grund vorstellen, aufzuhören.“ Vielleicht etwas weniger raucher. Für sich selbst fände er es „optimal“, sich auf sechs bis sieben Zigaretten pro Tag beschränken zu können. Bisher ein frommer Wunsch. Zu Hause raucht der Vater von drei Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren nicht in Anwesenheit der Kleinen. Erst wenn sie im Bett sind und dann nur in der Küche. Seine Freundin belässt es bei einer Zigarette am Tag.

Lieber spricht Hönig von der Angst vor Terroranschlägen, Hautkrebs infolge starker Sonneneinstrahlung oder von Umweltverschmutzung. Die Umwelt, ja, die liegt ihm am Herzen. Gerade als Raucher. Um zu zeigen, dass es auch ohne Verbote geht, startete der RCD im Sommer 2000 die Aktion „Strand ohne Kippen“. Gesponsert von der Deutschen Tabakwirtschaft und unterstützt vom Reisemagazin Geo-Saison wurden an den Stränden von drei Nordseebädern tausende von gelben Taschenaschenbechern aus Pappe verteilt. „Das war eine Superaktion“, schwärmt Hönig noch heute. Aber sie blieb einmalig. Hönig erzählt, dass es hin und wieder Anfragen von Golfclubs oder Schwimmbädern gebe. Doch wegen der geringen Mengen lohne sich der Aufwand nicht.

In den USA, wo Raucher wie Aussätzige stigmatisiert werden, war Hönig noch nie. Doch das habe nichts mit den vielen Rauchverboten zu tun, betont er. Es hat sich einfach nicht ergeben. Angst vor amerikanischen Verhältnissen in Deutschland hat er nicht. „Wenn immer wieder ein schlankerer Staat gefordert wird“, sagt er, „sind weitere Verbote nur unnötig.“

Wieder zieht er genüsslich an der Zigarette. Hönig ist zuversichtlich. „Es wird sich ein vernünftiges Zusammenleben von Rauchern und Nichtrauchern durchsetzen.“ Nach seiner Erfahrung ist die Toleranz von Nichtrauchern sehr groß. Wenn man mit ihnen spricht.