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Archiv-Artikel

Neue Lehre für Lehrer

Weniger abgehobene Wissenschaft, dafür mehr Praxisbezug – das soll die Uni angehenden Lehrern künftig mit auf den Weg geben. Nur: Mehr Geld ist nicht. Und die Profs sind unwillig

Bremen taz ■ Die Pläne sind ehrgeizig: „Praxisnäher, flexibler und straffer“ sollen laut Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) die Pauker der Zukunft ab dem Wintersemester 2005 in Bremen studieren. Statt der so oft beschimpften „Fachidioten“ sollen Didaktiker mit Leib und Seele die Universität verlassen, die sich in ihrem Studium nicht mehr hauptsächlich mit ihren Fächern befassen, sondern viel mehr damit, wie sie diese Fächer so unterrichten können, dass die Schüler dabei etwas lernen.

Die Umsetzung dieser Pläne aber stößt auf Widerstand. Ein Viertel bis doppelt so viel Personal wie bisher sei für das neue Konzept erforderlich, schätzen Mitarbeiter an der Universität und am Bremer Landesinstitut für Schule (LIS). Das aber ist nicht in Sicht. Zwar räumt auch der Leiter der Wissenschaftsbehörde, Walter Dörhage, ein, dass die ProfessorInnen künftig mehr korrigieren müssten, „und auch in der Betreuung von Praktika sowie in der Fachdidaktik wird es eng.“ Die Behörde könne jedoch nur in „Einzelfällen“ noch „nachsteuern“. Neue Professuren werde es auf keinen Fall geben, dafür lasse der Haushaltsplan keinen Spielraum, sagt Dörhage: „Es liegt an der Uni, wie schlau sie das vorhandene Personal einsetzt.“ Und wenn die Lehrenden tatsächlich mehr Zeit für die Betreuung der Studierenden aufwenden müssten als bisher, dann müsse eben die Zulassung beschränkt werden, fordert er.

Spielraum sieht Dörhage noch im Veranstaltungssortiment der Hochschullehrer. „Dann muss man sich überlegen, welche Angebote man sich noch leisten kann.“ Im Klartext: Die ProfessorInnen sollen sich weniger um ihre hoch spezialisierte Forschung kümmern und dafür mehr um die LehrerInnen in spe. „Das ist natürlich unbequem“, weiß Dörhage: „Die haben ja lange in einer anderen Welt gelebt.“ Die Lehramtsstudierenden aber hätten an der Uni lange keine Heimat gehabt, und das müsse sich jetzt ändern.

Das ist leichter gesagt als getan. Denn die treibenden Kräfte, die die neue Studiumskultur einführen könnten, fehlen an der Uni. Besonders trübe sieht es ausgerechnet in der Erziehungswissenschaft selbst aus. Die soll eine viel größere Rolle spielen als bisher und die zukünftigen Lehrer auf das vorbereiten, was sie in der Schule auch erwartet: Bockige bis gewalttätige Kinder, Problemfälle, Rechtsradikalismus, Kulturclash. Diese „Kerncurricula“ sollen zum Pflichtprogramm für Lehramtsstudierende in allen Fächern werden.

Bislang ist deren Interesse daran jedoch eher gering. Erziehungswissenschaft, klagt Wiltrud Drechsel, Professorin für Sozialgeschichte der Erziehung, sei das ungeliebte Fach, das lediglich „nebenbei“ studiert werde. „Die Studierenden wählen die Veranstaltung danach aus, ob sie in ihren Stundenplan passt.“ Doch auch von der geplanten Umstellung hält Drechsel gar nichts. „Wissenschaftsfeindlich“ lautet ihr Urteil, denn mit der Umstellung auf Bachelor und Master (siehe Kasten) soll das Studium stärker strukturiert, sprich die bisherige Wahlfreiheit der Studierenden stark eingeschränkt werden. Auch mit dem Wunsch der Studierenden nach mehr Praxisbezug kann Drechsel nichts anfangen. „Praktikable Rezepte nützen niemand, im Schulalltag tauchen immer andere Probleme auf als die, die vorher Thema waren.“

Kein Wunder also, dass Drechsel nicht diejenige sein wird, die ihr Fach fit macht für den Systemwechsel. „Ich bin nur noch ein Jahr an der Uni und gehe jetzt nicht mehr den Weg von 30 Jahren zurück.“ Das Problem: Auch die Mehrzahl ihrer KollegInnen steht kurz vor der Pensionierung, nicht nur Drechsel sieht derzeit niemand weit und breit, der sich Gedanken über Studien-Module und Veranstaltungsprogramme macht. Zwar sind sechs neue Professuren ausgeschrieben, die jedoch fangen erst zum Wintersemester an.

„Bis Ende des Jahres muss aber bereits die Planung des ersten Studienjahres stehen“, sagt Friedhelm Arning, Geschäftsführer des neu gegründeten Zentrums für Lehrerbildung (ZfL), das die Umstrukturierung koordinieren soll. „Das wird jetzt nicht mehr so gehen, dass Hochschullehrer ihre Veranstaltungen anbieten, wie es ihnen in den Kram passt“, prophezeit er.

Wie weit sich das ZfL mit seinen Anforderungen gegenüber den einzelnen Fachbereichen wird durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Zum Direktor des ZfL wurde mit Stefan von Aufschnaiter jedenfalls ein bereits eremitierter Professor gewählt. Bernd Laudenbach, bis Ende Juli als stellvertretender Direktor des LIS verantwortlich für die zweite Phase der Lehrerausbildung nach dem Studium, kritisiert: „Das hätte jemand sein müssen, der noch Einfluss innerhalb der Uni hat“.

Eiken Bruhn