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Archiv-Artikel

christoph schultheis Total-TV statt TV total

Wenn Pro 7 zum niveaufreien Schmuddelsender wird, wird damit auch Stefan Raabs „TV total“ zu einer anderen Sendung?

Man vergisst das gern mal: Die Late-Night-Show von Stefan Raab, die Pro 7 seit 1999 von Montag bis Donnerstag im Abendprogramm ausstrahlt, heißt nicht (wie bei Late-Night-Shows üblich) so wie ihr Gastgeber plus X, sondern schlicht „TV total“ – also einerseits so, als könne das ab morgen auch irgendwer anderes moderieren, und andererseits wie eine kecke Kampfansage.

Frage: „Wollt Ihr das totale TV?!“

Antwort: (bekannt).

Sinngemäß bestand der Raab’-sche TV-Totalitarismus vor allem anfangs zu einem Großteil aus der kommentierten Wiederholung von TV-Fitzeln, deren Qualität derart maschendrahtzaungroße Löcher hatte, dass sie einem breiteren Publikum nicht länger vorenthalten werden sollten. Das war nicht genial, sondern bei Premiere abgeguckt, aber eine gute Idee – zumal neben den vielen Ausschnitten aus dem Programmmüll der bundesweit über 60 offenen Kanäle auch Unterirdischkeiten vergleichbarer Sender (RTL) zu abermaliger Ausstrahlung gelangten. Und stets war das TV-Fitzelgefrotzel nicht nur Spaß, sondern auch moralisches Igitt: Sich über andere lustig machen, muss sich ein Sender erst mal leisten können wollen.

Und Pro 7 wollte.

Mittlerweile nimmt die Programmbeobachtung weit weniger Raum ein in „TV total“, was allerdings nicht heißen soll, dass sie im Einzelfall nicht weniger aufsässig geworden sei: Als Raab im Frühjahr dokumentierte, wie beschissen (im Sinne von bescheißen) es aussieht, wenn der Sender 9 live „17 und 4“ mit seinen Zuschauern spielt, wirkte das geradezu investigativ. Und so was macht sich immer gut in einem Sender, dem die Bezeichnung „Spielfilmsender“ anhängt, der sich mit Qualitätsserien („Coupling“, „Srubs“, „Malcom mittendrin“ u. v. a. m.) schmückt und einmal jährlich die Oscar-Verleihung überträgt – in einem Sender wie Pro 7 eben. In einem Sender wie Pro 7 hingegen, der neuerdings und künftig (siehe taz vom 30. Juli) auch jene Zuschauermillionen rekrutiert, die so was wie die „Die Alm“ anschauen, der also selbst niveaufreies Total-TV macht (und sich dabei von Raab selbst mit Sachen wie dem geplanten „Bundesvision Grand Prix“ oder einem „Promi“-Reitturnier beliefern lässt), wirkt die clowneske Subversion von „TV total“ plötzlich total perfide.

Nur zur Erinnerung: Als Raabs TV-Recycling sich im Frühjahr 2003 mal die sendereigene Beratershow „Dr. Verena Breitenbach“ vorknöpfte, stiegen dort kurz vor deren angekündigten Tode noch einmal Quoten …