Niveauverlust per Juniorprofessur

betr.: „Juniorprofessur nach Länderart“, „Im Zweifel gegen Bildung“, „Ihr Job ist jetzt überflüssig“, „Uns Juniorprofessoren gehört trotzdem die Zukunft“, taz vom 28. 7. 04

Das Urteil aus Karlsruhe ist zu begrüßen, weil es ein Zeichen gegen die offenbar unaufhaltsame Zerstörung der deutschen Universität setzt, die eine politische Klasse sich zum Ziel gesetzt hat, die einerseits die Universitäten aus ideologischen Gründen jedem öffnen will, andererseits aber die finanziellen Mittel verweigert, die zu einer akademischen Ausbildung auf traditionellem Niveau notwendig sind. Das Ergebnis dieses Widerspruchs wird in englischem Kauderwelsch als „Innovation“ verkauft, hinter der sich nichts anderes als Niveauverlust verbirgt. Jeder, der eine Universität in Deutschland von innen kennt, weiß das. Erstaunlich ist daher, dass sich Kommentatoren, die intellektuell unabhängig sein sollten, zu Fürsprechern jener Melange aus Ideologie und Zahlungsunfähigkeit machen.

PROF. DR. GERHARD PLUMPE, Bochum

Wenn schon die Hürden für Professoren in Deutschland nicht gesenkt werden, was ich sehr bedauere, dann fordere ich als Konsequenz, an anderer Stelle den Professoren-Etikettenschwindel zu beenden. Dann sollen nämlich wirklich nur noch jene einen Professorentitel führen, die nachweislich eine entsprechende akademische Laufbahn vollendet haben, einschließlich Habilitationsschrift. Dann ist Schluss mit „Prof. Jürgen Schrempp“ und den ganzen Honoris-causa-Professoren, die häufig noch nicht einmal promoviert sind, sondern aufgrund einer Lehrtätigkeit an einer Hochschule oder Fachhochschule den Titel führen, oder weil ihnen irgendeine ausländische Universität einen Titel „ehrenhalber“ verliehen hat.

STEPHANIE GÜNTHER, Freiburg

Die Klagewut mehrerer CDU-geführter Bundesländer gegen ein international konkurrenzfähiges Hochschulwesen lässt sich gut mit einem Ausspruch des US-amerikanischen Schriftstellers Mark Twain umschreiben: „Das Recht auf Dummheit wird von der Verfassung geschützt. Es gehört zur Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit.“ Die Länder werden einmal mehr ihrem gesellschaftlichen Bildungsauftrag nicht gerecht. Sie kämpfen um Machtinteressen, was vom Prinzip her legitim ist. Sie sind aber nicht dazu bereit, für die von ihnen eingeforderten Rechte auch die finanzielle Verantwortung zu übernehmen und großflächig zu investieren. Es bleibt zu hoffen, dass die eingesetzte Föderalismus-Kommission den Bundesländern in Sachen Bildung möglichst wenig Rechte einräumt. Anderenfalls kann man für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland nur schwarz sehen! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Wäre die taz doch etwas vorsichtiger gewesen mit ihrer vorschnellen Beurteilung des gestrigen BVG-Urteils über die Juniorprofessur. Es ist ja nicht so, dass, wer in Deutschland etwas Neues wagt, dafür bestraft wird. Aber wer sich in die Fänge eines vor dem Verfassungsgericht behandelten Gesetzes begibt, der sollte sich nicht wundern, wenn er hinterher den Kürzeren zieht. Das BVG hat klar geurteilt, die Regierung habe ihre Gesetzgebungskompetenz in der Hochschulpolitik überschritten. Gegen diesen Spruch ist definitiv nichts einzuwenden. Diejenigen Wissenschaftler, die sich auf das Abenteuer Juniorprofessur eingelassen haben, mussten sich ihrer Lage bewusst sein. Warum soll man sie nun derart bemitleiden?

Ob nun die Sache an sich, nämlich die Einführung der Juniorprofessur und die Abschaffung der Habilitation – und man vergesse eben jenen zweiten Schritt nicht –, nun gut oder schlecht für das deutsche Hochschulsystem sei, hatten die Richter nicht zu beurteilen. Und um Ralph Bollmann nun auch den letzten Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn er meint, die Juniorprofessur sei die Wundermedizin gegen unsere Bildungsmisere: Für jedes Argument, das im Allgemeinen Geistes- und Sozialwissenschaftler für die Juniorprofessur angeben, können sie aus der Ecke der Naturwissenschaften ein ebenso gutes dagegen hören. Die Grenze zwischen Akzeptanz und Ablehnung der neuen Strukturen verläuft nämlich nicht zwischen politischen Fraktionen, sondern wissenschaftlichen Fakultäten. Und so besehen war es wichtig, dass gegen dieses Gesetz geklagt wurde. Ein System, in dem Juniorprofessur und Habilitation gleichwertig nebeneinander stehen können, wäre viel stabiler und effizienter, weil es den unterschiedlichen Habiti in den einzelnen Fakultäten stärker Rechnung trüge. MAXIMILIAN SCHULTZ, Leipzig