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Archiv-Artikel

Klinikmitarbeiter müssen bluten

1.000 Beschäftigte der Hamburger Diakonie-Krankenhäuser sollen auf Urlaubs- und Weinachtsgeld verzichten. Kliniken finanziell an der Grenze. Gewerkschaft ver.di sieht bei Hamburgs Kliniken Tarifeinbrüche auf breiter Front

Von Marco Carini

Rund 1.000 MitarbeiterInnen der drei Hamburger Diakonie-Krankenhäuser Elim, Alten Eichen und Bethanien haben in diesem Jahr erstmals kein Urlaubsgeld bekommen – die Zahlung wurde vorläufig ausgesetzt. „Wir können die steigenden Kosten nicht anders begrenzen“, sagt Jörn Wessel, Geschäftsführer des Elim-Krankenhauses.

Trotz rapide anwachsender Patientenzahlen und regelmäßiger Tariferhöhungen ist das Budget, mit dem die Kliniken auskommen müssen, seit Mitte der neunziger Jahre nahezu gleich geblieben. Die Folge: Mit umfangreichen Umstrukturierungen, dem Outsourcing bestimmter Leistungen und einer „ungeheuren Arbeitsverdichtung“, so Mitarbeitervertreterin Helga Kruschel, hat die Krankenhausleitung in den vergangenen Jahren versucht, die Kostenlawine zu stoppen.

„Wir sind da an allen Kanten angelangt“, beklagt Wessel. Um die „immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Kosten und Erlösen“ zu schließen, sei nun der Griff ins Portemonnaie der Beschäftigten unerlässlich. Denn die Personalkosten der drei Kliniken verschlingen rund 70 Prozent ihres Gesamtbudgets.

Auch die Mitarbeitervertreter der drei Krankenhäuser sehen die Notwendigkeit solcher Einschnitte. „Die wirtschaftliche Lage sieht zurzeit nicht gut aus“, heißt es in einem Informationsblatt des Gremiums an die Diakonie-Beschäftigten. Seit zwei Monaten verhandeln die Mitarbeitervertreter und die Geschäftsführung über die Absenkung der Personalkosten: Neben dem Urlaubsgeld steht auch das Weihnachtsgeld zur Debatte.

Dabei lobt die Mitarbeitervertretung die „Transparenz“, mit der sie von der Geschäftsleitung über die wirtschaftliche Situation informiert wird. Mitarbeitervertreter Wolfgang Werner: „Auch wir sehen, dass die Kliniken finanziell an eine Grenze gekommen sind.“ Die Einschnitte sind kein Einzelfall. „Wir befinden uns in keiner anderen Situation als andere Hamburger Kliniken“, betont Geschäftsführer Wessel: „Solche Einschnitte werden seit zwei Jahren in fast allen Hamburger Krankenhäusern diskutiert und durchgeführt.“

Das bestätigt auch die zuständige ver.di-Fachbereichssprecherin Angelika Detsch, die in Hamburgs Kliniken „beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld Einbrüche auf breitester Front“ ausmacht. So würden seit dem vergangenen Jahr neu eingestellte MitarbeiterInnen des zum Verkauf anstehenden Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld mehr erhalten, da die entsprechenden Tarifverträge gekündigt wurden. Auch bei den katholischen Kliniken Marienkrankenhaus und Wilhelmsstift oder bei dem zur Albertinen-Gruppe gehörenden Amalie-Sieveking-Krankenhaus seien bereits Zusatzgratifikationen gestrichen worden. Die „Stiftung Freie Evangelische Gemeinde in Norddeutschland“, der auch das Elim-Krankenhaus bis vor kurzem gehörte, ist mit ihren zahlreichen Hamburger Alten- und Pflegeeinrichtungen inzwischen ganz aus den Arbeitsvertragsrichtlinien ausgestiegen. Dort wurde – ganz ohne Mitwirkung der Gewerkschaften und Mitarbeitervertretungen – ein abgesenkter Haustarifvertrag eingeführt.

Elim-Geschäftsführer Jörn Wessel sieht die angestrebte Fusion der drei Krankenhäuser zum Diakonie-Klinikum, dessen geplanter Neubau am heutigen Standort des Elim (Hohe Weide/Bundesstraße) 2008 bezugsfertig sein soll, als den einzig möglichen Ausweg aus der Krise: Die „Synergieeffekte“ der räumlichen Zusammenlegung könnten laut Wessel dazu beitragen, die Kostenexplosion in Grenzen zu halten.