: Fett im grünen Speckgürtel
Im Brandenburger Landtagswahlkampf kämpfen die Grünen gegen die CDU. In Falkensee haben sie sich mit der Union verbündet. Hier schimpft die SPD auf den Politikstil der zugewanderten Grünen
VON JAN STERNBERG
Konservativ. Jürgen Bigalke spuckt dieses Wort aus. Der Falkenseer SPD-Bürgermeister glaubt, das richtige Etikett für die Grünen im Berliner Speckgürtel gefunden zu haben. „Soziale Gerechtigkeit ist kein grünes Thema“, fährt er fort, „außer wenn es um den eigenen Kita-Beitrag geht.“ Seit der Wende ist der 62-Jährige Rathauschef von Falkensee, hat in dieser Zeit einen beispiellosen Zuzug in seine Stadt am westlichen Rand von Berlin erlebt. 39.000 Einwohner hat Falkensee heute, 45.000 sollen es in ein paar Jahren noch werden.
Doch seit dem 26. Oktober vergangenen Jahres ist Falkensee nicht mehr Jürgen Bigalkes Stadt. CDU und Grüne, angereichert durch die Bürgerliste Alternatives Bündnis, haben seit der brandenburgischen Kommunalwahl die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung. Diese Falkenseer Zählgemeinschaft ist die erste und einzige schwarz-grüne Kommunalkoalition in Brandenburg.
Die ungewöhnliche Dreier-Hochzeit beendete 14 Jahre SPD-Dominanz. 11,1 Prozent der Stimmen haben die Grünen bei der Kommunalwahl in Falkensee bekommen. Eine Zusammenarbeit mit der auf 26,6 Prozent abgestürzten SPD kam nie infrage. Was auch an Jürgen Bigalke liegt. „Mit denen konnten wir nie“, sagt der Bürgermeister über die erst seit 1997 in der Stadt aktiven Grünen. „Die sind durch Zuzüge erst so stark geworden und vertreten einen Politikstil, mit dem wir nicht klarkommen.“ Zu individualistisch, nicht auf das Ganze orientiert seien diese lokalpolitischen Aufsteiger. Und eben überhaupt nicht an sozialen Themen interessiert. „Die CDU ist für sie schon der richtige Partner“, grantelt Bigalke. Dann wettert der SPD-Kämpe über die Bundespolitik. „Womit haben die Grünen das verdient, dass sie so viel Erfolg haben? Sie tragen die Regierungspolitik doch genauso mit wie wir!“
Dorothea Staiger ist Bundesgeschäftsführerin der Grünen. 1999 kam die heut 48-Jährige mit dem großen Umzugsschwung aus Bonn und mischt seitdem bei den Falkenseer Grünen mit – am 19. September als Direktkandidatin für die Landtagswahl. Auch sie benutzt „konservativ“ als Schimpfwort – „strukturkonservativ und verkrustet“ sei Bigalkes lokale SPD, dagegen hätte man etwas unternehmen müssen. Schwarz-grüne Bündnisse sind für sie ein alter Hut: In Alfter bei Bonn saß sie von 1994 bis 1999 im Gemeinderat. „Da wollte die SPD keinerlei Zugeständnisse machen, und die CDU ist auf unsere Wünsche sehr schnell eingegangen.“ Der Wähler nimmt’s nicht übel, im Gegenteil. „Im Berliner Speckgürtel gibt es eine gefestigte grüne Wählerschaft – und die ist eher bürgerlich als links“, sagt Staiger, „jedenfalls, wenn ‚bürgerlich‘ bedeutet, dass die meisten über ein Eigenheim verfügen.“
In Potsdam lässt der grüne Spitzenkandidat Wolfgang Wieland unterdessen Plakate mit dem Text „Innen-Minister – bald außer Dienst“ kleben. Wolfgang Wieland gegen Jörg Schönbohm – die Fortsetzung einer gut gepflegten Berliner Männerfeindschaft zwischen dem ehemaligen General und Innensenator sowie dem ehemaligen Berliner Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Oder noch pauschaler: Kreuzberg gegen Bundeswehr.
In Falkensee nimmt man’s gelassen. Hierher sind die Kreuzberger gezogen, als sie von Ideologie genug hatten. Und der CDU-Ortsvorsitzende Roger Lewandowski sagt: „Ich finde es schade, wenn so personalisiert wird. Ich könnte mir auch auf Landesebene eine Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen.“ Die Knackpunkte müssten eben ausgeklammert werden – kommunal ist das die umstrittene Ortsumgehung, im Land wäre es eben das Thema innere Sicherheit. Auch die CDU-Justizministerin und Falkenseer Direktkandidatin Barbara Richstein soll schwarz-grünen Gedankenspielen nicht abgeneigt sein.
Dass am 19. September die drei Großen, SPD, CDU und PDS, die Regierungsbildung in Potsdam aller Wahrscheinlichkeit nach unter sich ausmachen werden, ist dabei allen Beteiligten klar. Um die schwelenden Schwarz-Grün-Debatten ganz sicher zu beenden, kündigte Spitzenkandidat Wieland an, zur Not Mathias Platzeck (SPD) mit zu wählen, um Schönbohm zu verhindern. Für ihn läuft indes alles auf eine rot-rote Regierung in Potsdam hinaus.
Dabei bleibt unsicher, ob die im Speckgürtel erstarkten Grünen auch landesweit genug Stimmen für den Einzug in den Landtag bekommen. „Wir sind im Rest des Landes nur punktuell vorhanden“, räumt der Landesvorsitzende Joachim Gessinger ein. „Wir müssen dort Strukturen aufbauen, schaffen das aber erst nach der Landtagswahl.“ Zwar erreichten die Grünen bei der Europawahl brandenburgweit 7,8 Prozent. Um in den Landtag einzuziehen, brauche man wegen der erwarteten höheren Wahlbeteiligung aber noch 20.000 Stimmen mehr. Das weiß auch Wolfgang Wieland. Bei einem Wahlkampfauftritt im Havelland forderte er: „Falkensee hat die Verpflichtung, ein Traumergebnis vorzulegen und andere Orte in Brandenburg mitzureißen.“