: Angst vor Terrorpiraten auf Öltankern
Indonesien, Malaysia und Singapur verstärken in der Straße von Malakka die Zusammenarbeit gegen Piraten. Die USA würden dort am liebsten selbst aktiv werden, um zu verhindern, dass Piraten und Terroristen zusammenarbeiten
BANGKOK taz ■ Die wichtige „Straße von Malakka“ wird jetzt gemeinsam von den Anrainern bewacht: Malaysia, Indonesien und Singapur haben im Juli beschlossen, gemeinsame Seepatrouillen durchzuführen. Die südostasiatischen Nachbarn wollten damit der wachsenden Gefahr durch Piraterie die Stirn bieten. So lautet die offizielle Begründung. Angesichts zunehmender Piratenüberfälle ist diese Initiative vordergründig nicht von der Hand zu weisen. Laut dem in London ansässigen Internationalen Schifffahrtsbüro wuchs die Zahl der Attacken gegen Schiffe, die den belebten Seeweg zwischen der malaysischen Halbinsel, Singapur und dem indonesischen Sumatra passieren, in der ersten Hälfte 2004 um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Doch hinter den gemeinsamen Patrouillen der drei Länder verbirgt sich ein politischer Machtkampf, der über maritime Sicherheit hinausgeht. Die Initiative ist Indiz für einen lange schwelenden Sicherheitskonflikt in Südostasien. Es geht dabei um das Ansinnen Washingtons, im Namen des globalen Antiterrorkampfes US-Truppen in der Region zu stationieren. Ein Bestreben, das Malaysia und Indonesien strikt von sich weisen.
Die USA haben mehrfach die potenzielle Verbindung zwischen Piraterie und Terrorismus beschworen. So brachte der Kommandant der US-Einheiten im Pazifik, Admiral Thomas Fargo, im Frühling die Option ins Spiel, die Straße von Malakka mit zusätzlichen US-Einheiten und Hochgeschwindigkeitsbooten zu schützen. Dies solle helfen, möglichen Entführungen von Schiffen und Öltankern vorzubeugen, die dann für terroristische Anschläge eingesetzt werden könnten – zum Beispiel als schwimmende Bomben.
Die Sorgen um eine Verknüpfung zwischen Piraterie und Terrorismus sind grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen: Die 800 Kilometer lange Meerenge passieren jährlich 50.000 Frachter, deren transportierter Warenwert einem Drittel des Welthandels entspricht. Darunter sind fast alle Ölimporte Japans, Südkoreas und Chinas. Doch in Indonesiens Gewässern ist die Gefahr eines Piratenüberfalls weltweit am größten.
„Terrorismus und Piraterie sind transnationale Verbrechen und erfordern sowohl nationale Bereitschaft als auch internationale Kooperation“, schrieb Dana R. Dillon, Analyst des „Asien-Studien-Zentrums“ bei der in Washington ansässigen konservativem Heritage-Stiftung, in einem Artikel Ende Januar. Und zählte internationale, für Sicherheit und maritime Angelegenheiten zuständige Organisationen auf, die Warnungen zu al-Qaida und regionalen Terrornetzwerken in Südostasien publik gemacht hätten. So schrieb Dillon von der Entführung eines Chemietankers vor Sumatra durch Piraten oder eines Ingenieurs durch die philippinische Terrorgruppe Abu Sayyaf, der gezwungen wurde, die Technik des Schiffsteuerns zu vermitteln.
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass daraus folgende Mutmaßungen dem strategischen Interesse der Bush-Administration entgegenkommen. Denn viele Experten sind uneins über die Frage, wo die Grenzen zwischen Piraterie und Terrorismus zu ziehen sind. Brian Jenkins, Sonderberater beim Internationalen Schifffahrtsbüro, warnte unlängst davor, die Problematik zu überzeichnen: „Wir sollten das Problem des Terrorismus ernst nehmen“, so Jenkins. Gleichzeitig sehe er die Gefahr, solche Drohungen zu übertreiben: „Terror gibt immer eine dramatische Schlagzeile her“, gab er zu bedenken, „daher ist die Versuchung da, jedes Ereignis in irgendeiner Form mit Terrorismus in Verbindung zu bringen.“
Rizal Sukma vom „Zentrum für strategische und internationale Studien“ in Jakarta wendet sich in diesem Zusammenhang an die Adresse Washingtons: „Natürlich können wir die Möglichkeit terroristischer Attacken in der Straße von Malakka nicht ausschließen“, so Rizal zur taz. „Aber das rechtfertigt nicht die Präsenz von US-Truppen.“ Laut internationalem Recht liege die Verantwortung für die Sicherheit des Seeweges einzig und allein bei den Anrainerstaaten.
Es waren aber vor allem Malaysia und Indonesien, die Mutmaßungen von sich wiesen, die gemeinsamen maritimen Patrouillen hätten etwas mit der potenziellen Bedrohung durch Terroristen zu tun. Es gebe bislang keinen Beweis einer terroristischen Verbindung mit den Piraten entlang der Malakka-Straße, ließ Chia Kwang Chye, Malaysias stellvertretender Minister für innere Sicherheit, die Medien wissen.
Ob im Kampf gegen Piraten oder gegen potenzielle Terrorattacken: Indonesien, Malaysia und Singapur müssen beweisen, dass sie die richtige Strategie verfolgen. Schon jetzt monieren Kritiker, dass die „Drei-Länder-Initiative“ viel zu kurz greife. Denn die Patrouillenschiffe eines Landes dürfen selbst in Not- oder konkreten Verdachtsfällen nicht ins Territorium eines Nachbarlandes eindringen.
NICOLA GLASS