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Christen werden zu Anschlagszielen

Die erste Attentatsserie auf Kirchen im Irak wird im Lande selbst und international verurteilt. Die jüngste Entwicklung dürfte den Trend zur Auswanderung verstärken. Dabei blicken Christen und Muslime auf ein friedliches Zusammenleben zurück

VON BEATE SEEL

Die Anschläge auf christliche Kirchen im Irak sind gestern im Lande selbst und weltweit verurteilt worden. Interimspräsident Ghasi al-Jawar bezeichnete sie als „Terrorakte gegen Söhne des irakischen Volkes“. Der nationale Sicherheitsberater Muwafik al-Rabie machte das Netzwerk des mutmaßlichen jordanischen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi für die offensichtlich koordinierte Anschlagsserie verantwortlich. Auch der schiitische Großajatollah Ali al-Husseini al-Sistani verurteilte die Anschläge. Es sei wichtig, die Rechte von irakischen Christen und anderen religiösen Minderheiten zu respektieren. Sie hätten das Recht, „in ihrem Heimatland in Sicherheit und Frieden zu leben“, sagte Sistani.

Bei den Anschlägen vor vier Kirchen in Bagdad und einer in Mossul waren am Sonntagabend mindestens elf Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Ein weiterer konnte verhindert werden. Da im Irak der Sonntag ein Arbeitstag ist, besuchen gläubige Christen den Gottesdienst erst am Abend.

Die ersten Attentate auf religiöse christliche Einrichtungen seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein riefen auch den Vatikan auf den Plan. Kurienkardinal Roger Etchegaray sagte gegenüber der italienischen Zeitung La Repubblica: „Wir können das irakische Volk und die christliche Gemeinschaft in so einer katastrophalen Situation nicht allein lassen.“ Die Attentate träfen nicht nur die Christen, sondern es gehe um das Grundrecht der Religionsfreiheit, fügte der ehemalige Vatikan-Unterhändler für den Irak hinzu. Auch Vertreter von Kirchen im Nahen Osten riefen zu besonderer Solidarität mit den Christen im Irak auf. Bei den Zielen der Anschläge handelte es sich um eine syrisch-katholische Kirche, eine armenisch-katholische, zwei römisch-katholische, und eine chaldäische. Dies zeigt, wie vielfältig die 2.000 Jahre alte christliche Gemeinschaft im Irak ist. Dort leben schätzungsweise 650.000 Christen oder drei Prozent der Bevölkerung. 63 Prozent von ihnen gehören der chaldäischen Kirche an. Sie erkennt den Papst an, haben aber einen eigenen Patriarchen in Bagdad.

Die chaldäische Kirche gehört seit 1553 zu Rom. Damals hatte sie sich von den Nestorianern abgespalten, die nur die göttliche Natur, nicht aber auch die menschliche Natur Jesu Christi anerkennen. Nach einem Bericht des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz vom März vergangenen Jahres gibt es im Irak insgesamt 14 christliche Gemeinschaften. Ihre Anhänger leben vorwiegend in Bagdad, Mossul, Basra und Umgebung.

Seit je her haben Christen und Muslime im Zweistromland friedlich zusammengelebt. Allerdings gab es nach dem Sturz Saddam Husseins mehrfach Angriffe auf Alkoholgeschäfte und Schönheitssalons, die oft christliche Besitzer haben. In Bagdad werden derartige Attentate dem radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr zugeschrieben.

Das Auftauchen solcher radikal-religiöser Gruppen, die zur Zeit Saddam Husseins unterdrückt wurden, hat unter den irakischen Christen Besorgnis ausgelöst. Der römisch-katholische Erzbischof von Bagdad, Jean Benjamin Sleiman, sagte kürzlich gegenüber der Washington Post: „Es gibt eine sehr reale Freiheit, aber wir können sie nicht genießen angesichts der allgemeinen Unsicherheit, dem hohen Grad an Fanatismus und dem Glauben einiger islamischer Führer, dass die irakischen Christen sich den Koalitionskräften anschließen, die als Christen oder sogar als Kreuzzügler angesehen werden.“ Die jüngste Entwicklung dürfte zu einer vermehrten Auswanderung führen. Dieser Trend hält allerdings schon längere Zeit an. Bevorzugte Ziele sind die USA und Australien.

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