berliner szenen Auf heißer Spur

Er gehörte dazu

Mit meiner guten Menschenkenntnis hätte ich Bulle oder Agent werden sollen. Ein Balkantyp, dem ich das brutal Zuhälterhafte sofort ansah, stellte sich neben mich, als ich bei einem Kaffee in der Neuen Kranzler-Eck-Passage an einem Stehtisch rumlungerte. Nebenan bei Mandarina Duck drückten sich gerade drei dürre Models gegen die Schaufensterscheibe, als wollten sie ins Schaufenster rennen.

Ein Fotograf sagte zu den Mädchen: „Zeigt mir mal eure tollen Hintern!“ Darauf bückten sich die drei weiter vor, die eine kippte fast aus ihren Pumps, eine Helferin zog ihr den Rock ein Stückchen höher. Der Sonnebrillentyp gab zu verstehen, dass er den etwas dickeren Typen kannte, der jetzt vom Ku’damm aus rüberkam und der hübschesten der Models kurz in den Hintern kniff. Die wehrte sich nicht – also gehörte er dazu. Ich war einem großen Verbrechen auf der Spur, ich musste nur cool und unauffällig meinen Kaffee weitertrinken.

Der fiese Balkantyp ging plötzlich rüber zu S. Oliver. Professionelle Ladendiebe? Ich folgte ihm, er aber war verschwunden. Gewieft hatte er wohl den zweiten Ausgang benutzt, um mich abzuhängen. Profis! Genau jetzt waren meine Agentenzigaretten alle. Am Scheiß-Ku’damm, wo es kaum Kioske gibt. Alle Verbrecher hatten die Passage verlassen, ich wollte gerade entnervt aufgeben, als ich die ganze Truppe hinter einem Schaukasten sah. Der Sonnenbrillenmann war Chef-Hütchenspieler, sein Kumpel kontrollierte vom Mittelgrünstreifen den Ku’damm auf Bullen, die Mädchen setzten abwechselnd 50 Euro, die Hübsche gewann. Dann wurden ein paar bayerische Touris abgezockt. Der vom Mittelstreifen gab ein Zeichen, und der Fiese sagte im Vorbeirennen etwas zu mir, das ich nicht verstand. ANDREAS BECKER