: Nur die Großen können‘s Englisch
Größere Mittelständler in NRW wollen internationale Bilanzierungsstandards einführen. Kleine Firmen überfordert
DÜSSELDORF taz ■ Die großen mittelständischen Unternehmen Nordrhein-Westfalens versprechen sich Vorteile von der Einführung des internationalen Bilanzierungsstandarts IFRS. Unternehmensberater befürchten jedoch, dass kleinere Betriebe durch die Umstellung in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Bereits jetzt haben zwei Drittel der nordrhein-westfälischen Unternehmen mit einem Umsatzvolumen 20 Millionen Euro ihre Rechnungslegung freiwillig auf International Financial Reporting Standards (IFRS) umgestellt, oder sie denken zumindest darüber nach. Das ergab eine Umfrage der Fachhochschule Münster und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bei über 300 mittelständischen Unternehmen. Fast die Hälfte der befragten kapitalmarktorientierten Unternehmen bilanzieren bereits nach den Regeln des IFRS und des IAS (International Accounting Standards). „Die Vorteile einer IFRS-Anwendung werden von den Unternehmen offenbar so hoch eingeschätzt, dass viele freiwillig umstellen wollen“, sagte Rüdiger Reinke, KPMG-Vorstand in Düsseldorf.
Hintergrund der Studie sind die im April diesen Jahres von der Bundesregierung beschlossenen Entwürfe zum Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) und zum Bilanzkontrollgesetzes (BilKoG). Die Gesetze sollen eine stärkere Transparenz zum Schutze der Anleger gewährleisten. Außerdem werden EU-Richtlinien umgesetzt. Bis auf wenige Ausnahmen sollen neuen die Regelungen ab dem 1. Januar 2005 gelten.
Die befragten Unternehmen, die bereits nach den neuen Regeln bilanzieren, sehen die Vorteile der IFRS-Anwendung vor allem in leichteren Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung. So werde der Zugang zu weiteren Kreditgebern erleichtert. Auch die bessere Berichterstattung für das eigene Unternehmen wurde positiv bewertet. „Die Befragung hat gezeigt, dass die Banken - zumindest bisher - von ihren Kunden einen IFRS-Abschluss nicht zwingend fordern und ein internes Bankenrating kein Differenzierungsmerkmal zwischen IFRS- und HGB-Anwendern ist“, sagte Isabel von Keitz von der Fachhochschule Münster.
Der Bundesverband Deutscher Unternehmer (BDU) befürchtet hingegen einen „Supergau“ im unteren Mittelstand. Auf sie steige der Druck, ihre Rechnungslegung umzustellen. Gleichzeitig müssten sie sich aber in ihrer Bilanzierung weiterhin am Handelsgesetzbuch (HGB) orientieren. Der BDU forderte die EU auf, sich für Vorgaben einzusetzen, die sich nicht überwiegend an amerikanischen Bedürfnissen orientierten. Die bisherige Rolle der EU als „Nur-Beobachter“ beim amerikanisch geprägten IASB müsse schnellstens geändert werden.
ALEXANDER BÖER