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Archiv-Artikel

hörprobe

Musik als Medizin – manchmal passt das einfach zu gut. Akinetón Retard, das ProgRock-Kollektiv aus Chile, trägt das Versprechen auf Heilung festgefahrener Musikgeschmäcker schon im Namen. Unter dem Titel eines krampflösenden Parkinson-Medikaments basteln die fünf Musiker seit zehn Jahren an ihrer Soundformel zur Amalgierung von Rock, Jazz und experimenteller Neutönerei. Immer den Patienten im Blick, haben sie dabei einen extrem freien und ironischen Umgang mit Genregrenzen kultiviert.

Die Dosierung überraschender Crossover-Ideen wird auch auf ihrem dritten Studioalbum 21 Canapés konstant hoch gehalten. Das Resultat lässt sich am ehesten als Avantgard-Rock der Marke King Crimson mit akuten Gleichgewichtsstörungen beschreiben. Da kippen entspannte Soundtrackpassagen in atonale Saxophon-Exkursionen, werden Jazzstrukturen behutsam eingeführt und kurz darauf rockend gegen den Strich gebürstet.

Ihre volle therapeutische Wirkung entfaltet die musikalische Rezeptur der Chilenen allerdings erst live auf der Bühne. Hier erweitern sie ihre Soundentwürfe mit visuellen Effekten und unter Mitwirkung von Gastmusikern zu einem künstlerischen Gesamtkonzept, das Hirn und Beine gleichermaßen anregt. Beim diesjährigen Freakshow Artrock Festival in Würzburg haben Akinetón Retard jedenfalls reihenweise offene Münder und entzückte Mienen im Publikum zurückgelassen. Michael Unterberg

Heute, 22 Uhr, Schilleroper