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Archiv-Artikel

Zügig in die Verzögerung

Senat und S-Bahn GmbH kündigen an, nächste Woche einen Verkehrsvertrag zu unterzeichnen. Solche Töne gab es aber schon vor acht Monaten. Passiert ist nichts. Bremsklotz soll Sarrazin sein

VON STEFAN ALBERTI

Pressekonferenz, Rotes Rathaus. Vor blauer Stellwand kündigt Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger an, nächste Woche werde das Land einen Verkehrsvertrag mit der S-Bahn GmbH unterzeichnen. Jener Vertrag, der sichert, dass auf rund 250 Kilometern – so weit wie vom Alex nach Rügen – Bahnen durch die Stadt fahren. Gleiches war aber an gleicher Stelle schon vor acht Monaten zu hören. Da saß der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vor der blauen Wand und tönte, dieser neue Vertrag werde „in den nächsten Tagen“ unterschriftsreif sein. Es bleiben daher Zweifel, dass nächste Woche wirklich jemand zum Füller greift.

Wieso bisher acht Monate ohne Unterzeichnung vergingen, vermochte Krautzberger gestern nicht wirklich zu erklären. Auf ein neues Preisberechnungssystem bei der Deutschen Bahn als S-Bahn-Mutter verweist sie. Und auf den Senatorenwechsel in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die für Verkehr zuständig ist. Bloß: Das neue System für die Trassenpreise kam weit nach Wowereits Ankündigung auf, der Wechsel vom abgetretenen Senator Peter Strieder zu seiner Nachfolgerin Ingeborg Junge-Reyer (beide SPD) geschah im April.

„Es gab keine Notwendigkeit, von heute auf morgen zu unterschreiben“, sagte Krautzberger. Dabei forderten vergangenes Jahr Verkehrsexperten vehement, der vertragslose Zustand müsse schnellstmöglich zu Ende gehen. Zu dramatisch schien die Lage. Denn schon seit Ende 2001 gibt es keinen gültigen Vertrag mehr zwischen Land und S-Bahn, sondern nur noch Zwischenvereinbarungen. Drohungen von S-Bahnstreiks und Streckenstilllegung kursierten.

Der Vertrag soll bis Ende 2017 laufen und das Land vorerst rund 200 Millionen Euro jährlich kosten. Im Gegenzug für die lange Laufzeit kommt die S-Bahn beim Preis entgegen. Komplett ist die Einigung längst nicht: Beide Seiten wollen einen Teilbetrag von über 20 Millionen Euro noch gerichtlich klären lassen. Umstritten ist dabei der Trassenpreis. Was die Sache erschwert: Diesen Preis hat nicht die S-Bahn zu verantworten, sondern die Deutsche Bahn Netz AG.

Was Krautzberger nur andeutet: Ein zentrales Hindernis für eine Vertragsunterzeichnung soll Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gewesen sein. Der war früher selbst in Diensten der Bahn und ging dem Vernehmen nach im Streit mit Bahnchef Hartmut Mehdorn. Klarer drückte sich jüngst Christian Gaebler aus, verkehrspolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion: „Hier handelt es sich um einen Streit zwischen einem ehemaligen und einem aktuellen Bahnvorstand“ – was Sarrazins Sprecher bestreitet.

Die S-Bahn GmbH mochte die Verzögerung gestern nicht kommentieren. Ihr Sprecher Ingo Priegnitz hoffte wie Krautzberger darauf, dass die Unterzeichnung kommende Woche klappt. Sarrazin, ohnehin wegen einer Ohroperation außer Gefecht, soll nicht mehr beteiligt sein.

Zum Vertrag gehört eine Konkurrenzklausel: Spätestens 2010 sollen sich auch andere Unternehmen darum bewerben können, ab 2013 ein Drittel des S-Bahnnetzes zu übernehmen. Betroffen ist das so genannte Teilnetz „Nord-Süd“. Krautzberger, die Staatssekretärin für Verkehr, konnte gestern nicht sagen, welche Strecken das derzeit sind. Dazu hätte ein Blick auf den an jedem Bahnsteig hängenden Netzplan gereicht: die Linien 1,2 und 25, rosa und grün markiert. 2003 hatte die Firma Connex bereits Interesse angekündigt, jedoch nicht an der Nord-Süd-Strecke, sondern an der Ringbahn.