strafplanet erde: petrarca ist schuld von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Mancher mag es ja schön finden, ich kann Erlebnisreisende nur noch achselzuckend betrachten. Manchmal mischt sich in die Gleichgültigkeit der Hauch eines besinnlichen Anflugs von Schadenfreude. Nehmen wir das aufwärts extremste geografische Ziel, den Gipfel des Mount Everest. Höher geht’s zu Fuß auf diesem Planeten nicht. Und weil es so erstrebenswert zu sein scheint, das Maximum persönlich zu begutachten, wird inzwischen die Grenzerfahrung als Pauschalreise serviert.

Im Fernseher sah ich neulich, was knapp unterhalb des Gipfels los ist, wenn man die Müllberge an den Basislagern hinter sich gelassen hat. Im Gänsemarsch auf Trampelpfaden zum Dach der Welt: Stau und Gedränge. Um sich die Zeit zu vertreiben, kann man versuchen, ob man nicht eine der herumliegenden Frostleichen erspäht. Schönen Dank. Mit der rabiaten Gipfelstürmerei habe ich abgeschlossen seit der Geschichte mit Joe in den peruanischen Anden. Der Aufstieg über die Westwand zum Gipfel des Siula Grande (6.356 Meter) war eine Erstbegehung und nach dreieinhalb Tagen geschafft. Beim Abstieg aber stürzte Joe etliche Meter in die Tiefe. Sein Kniegelenk ist zerschmettert. Notdürftig binde ich im Schneetreiben unsere beiden Seile zusammen und lasse ihn Stück für Stück runter. Wir haben kein Wasser mehr, die Finger erfrieren. Dann die zweite Katastrophe. Joe stürzt abermals und hängt frei über einer Gletscherspalte. Was passiert ist, kann ich nicht erkennen. Um nicht selbst abzustürzen, bin ich gezwungen, das Seil zu kappen. Als ich die Stelle erreiche, die Gletscherspalte sehe, gibt es keinen Zweifel … Nie wieder klettern!, schwöre ich, als ich mehr tot als lebendig das Basiscamp erreiche. Dass und wie Joe sich retten konnte, gehört nicht hierher, kann man sich von dem Film „Sturz ins Leere“ erzählen lassen.

Heute radle ich bestenfalls mit dem Mountainbike zum Schweinebraten. Der liegt rund 530 Meter hoch im Harz. Etwas oberhalb des nicht mehr bewirtschafteten „Iberger Kaffeehauses“ geht es scharf rechts auf einem schmalen Waldweg an der Flanke des Ibergs hinauf. Am Ausgang der Tropfsteinhöhle weiter geradeaus fahren bis hoch zum Schweinebraten. Von da aus nach links Richtung Spinne. Oder man macht sich auf in die Kärntner Nockberge, vom Tschierweger Nock über Hochpalfennock zum Tschiernock wäre eine von zig Möglichkeiten; umständlicher wäre eine Route vom Klomnock, dann über Mallnock und Pfannock zum Rosennock. Der Plattnock wäre eine Alternative, aber nur für Geübte. Trittsicherheit! Damit nicht nachher ein Witzbold vom Knockout in den Nockbergen kräht. Am humansten und beschaulichsten aber ist das alpineske Treiben, wenn man es mit einem Lied Stephan Remmlers betrachtet: „Oben aufm Berg“. Ein Stelldichein mit der Herzensdame mündet ganz eindeutig in höchstem Entzücken: „Die Kühe auf der Alm die haben zugeschaut / die Gemsen auf den Gipfeln habens nicht geglaubt / Ist dasn Wunder dass mir da plötzlich klar war / dass dieses Wunder wahr war / oben aufm Berg.“

Überragt nicht allein das Reimpaar „klar war / wahr war“ in seiner unangestrengten Einfachheit den Mount Everest um … Nein? Ich mein ja nur.