Als ob ein Engel schöbe

Fahrräder mit Zusatzantrieb sind keineswegs nur für Faule und machen einige der Argumente gegen Radeln im Alltag obsolet. Energiebilanz akzeptabel. Einbau in konventionelle Räder möglich

von GERNOT KNÖDLER

Irgendwie ist es ja peinlich, als gesunder junger Mann mit einem Elektro-Fahrrad durch die Gegend zu gondeln. Mit Verachtung blickte der Autor auf die faulen Fahrer der schwerfälligen Räder mit dem suspekten Batterie-Köfferchen. „Das ist ungefähr so sexy wie Mofafahren“, dachte er sich – bis er wie ein kleines Kind wieder und wieder den Elbhang hinauf und hinunter fuhr, dem verärgerten Fotografen davon, der dafür erst nach einer eigenen Spritztour Verständnis hatte. E-Bike-Fahren macht Spaß, ist aber mit Kosten verbunden.

Die Fahrradhändler bieten zwei Typen von Elektrorädern an. Das „E-Bike“ ist im Prinzip ein Mofa mit Elektro- statt Zweitakt-Motor. Der Fahrer kann treten oder auch nicht und beliebig „Gas“ geben. Ein „Pedelec“ dagegen unterstützt nur den Fahrer, der selbst strampelt. Je nach Typ orientiert sich der Hilfsmotor an der Kraft, mit der der Fahrer tritt, der Geschwindigkeit oder an der Drehung des „Gas“-Griffs.

„Beim Elektro-Bike tun die Leute in der Regel nichts und es passiert wenig“, sagt Michael Franck vom selbstverwalteten Eimsbütteler Fahrradladen Radwerk. Er und seine Kollegen überließen dem Reporter daher ein gemütliches Pedelec der Variante mit „Gas“-Griff zum Testen: ein Comfortmodell mit extra niedrigem Rahmen, einem 250-Watt-Elektromotor in der Vorderradnabe vom Querschnitt eines Kuchentellers und einem handlichen Akku-Köfferchen, das seitlich an den Gepäckträger geklinkt wird.

Der Hersteller gibt bei Mittreten eine Reichweite des Nickel-Cadmium-Akkus von 27 Kilometern an. Ihn an einer ganz normalen Steckdose zu laden dauert zweieinhalb Stunden. „Das heißt, man kann irgendwo hinfahren und was essen“, sagt Franck. Ist der Akku wieder fit, hilft er den vollen Bauch nach Hause schaukeln. Wer damit zur Arbeit fährt, wird aufs Laden zwischendurch in der Regel verzichten können.

Bei 24,5 km/h stellt der Motor die Mitarbeit ein

Wir schwingen uns auf den Sattel und stellen fest: Die zehn Kilo extra, die die Elektro-Ausrüstung wiegt, machen sich bemerkbar. Dann die angenehme Überraschung: Der Elektromotor ist eine exzellente Beschleunigungshilfe. Nach einem Halt an der Ampel bringt er das Rad ruckzuck auf 22 Stundenkilometer. Es fühlt sich an, als ob ein Engel schöbe! Gegenwind spielt höchstens als Rechengröße eine Rolle, weil er den Akku leert. Steigungen sind ein reines Vergnügen: Das Bewusstsein, selbst zu trampeln und dabei mühelos die ärgsten Berge zu bewältigen, verschafft dem Fahrer ein angenehmes Gefühl der Souveränität.

Frustrierend wirkt die Begrenzung der Motorhilfe auf 24,5 Stundenkilometer. Auf mehr darf er das Rad nicht beschleunigen, weil es sonst eine Zulassung und der Fahrer einen Mofa-Führerschein braucht. Das heißt aber nicht, dass bei 24,5 Stundenkilometern Schluss wäre, denn jedem steht es frei, mit Muskelkraft richtig Speed zu machen.

„Viele fragen: Ist das nicht was für Versehrte, für Alte?“, berichtet Franck aus seinem Fahrradladen. „Niemand käme auf die Idee, das einen Motorradfahrer zu fragen.“ Tatsächlich steht es dem Fahrer völlig frei, wann er wie stark tritt. Jederzeit kann er den Motor, sei es auch nur für einen Augenblick, abstellen und sich die Kraft aus dem Akku für die schwierigen Stellen aufsparen. „Beim Radeln über längere Strecken entsteht diese Situation, wo‘s anstrengend wird und man in Schweiß kommt“, sagt Franck. Per Pedelec können Sie zu beruflichen Terminen fahren und in präsentabler Verfassung ankommen.

Der Energiebedarf eines Pedelec ist minimal. Der Akku kommt mit einer sechstel Kilowattstunde aus. Der Gesamtwirkungsgrad des Elektromotors kann auf jeden Fall mit dem eines Ottomotors konkurrieren – Energieerzeugung, -transport, -speicherung und Umwandlung im Motor inklusive. Bei Strom aus Wasserkraft ist der Wirkungsgrad besser als beim Diesel. Wer Ökostrom füttert, ist fein raus.

Mit dem beschriebenen Nabenmotor können Sie für rund 1100 Euro Ihr eigenes Fahrrad nachrüsten. Die Akkus kosten rund 370 Euro. Sie können 600 bis 1000 Male geladen werden. Macht zirka 50 Cent am Tag.