: Event-Anatomie mit Erektion
„Körperwelten“: Ab heute stehen auf der Reeperbahn Leichen im Museum. Ausstellungsmacher Gunther von Hagens überlegt, ob Hamburg nicht ein guter Standort für sein „Menschenmuseum“ wäre. Freier Eintritt für Taxifahrer und Prostituierte
von PETER AHRENS
Die Getränke für die Journalisten gibt es neben dem „Brustquerschnitt mit deutlich vergrößertem Herzen“. Ein Heilpraktiker darf für die Presse einen artigen Kalenderspruch aufsagen, wie schön doch diese Ausstellung sei, und extra für Hamburg hat sich den „Körperwelten“ ein Plastinat mit Namen „Der Frühaufsteher“ hinzugesellt, der sich durch seinen ebenso präparierten wie erigierten Penis hervortut. Wir sind auf der Reeperbahn, und wir sind bei der Show des Gunther von Hagens.
Heute eröffnen die „Körperwelten“ im ehemaligen Erotic Art Museum, doch das eigentliche Ereignis der Ausstellung ist schon vorbei: Der Ausstellungsmacher hatte gestern auf der Eröffnungspressekonferenz seinen großen Auftritt, und der war im Zweifel noch interessanter als ein durchgeschnittenes Zwerchfell.
Jugendpsychologen warnen davor, dass Kinder die Ausstellung der plastinierten Leichen besuchen. Von Hagens sagt: „Wir haben in den Ausstellungen noch kein Kind gehabt, das vor Schock umgekippt ist.“ Kirchen sprechen von Voyeurismus und Kommerzialisierung des Todes. Von Hagens sagt: „Ich werde noch eine Audienz beim Papst bekommen, weil ich mich in der Tradition des Christentums befinde.“ Dann lässt er einen bestellten Pädagogikprofessor auftreten, der auftragsgemäß daran erinnert, dass früher auch in Kirchen seziert worden sei.
Die Ärzte schimpfen über Klamauk und den selbstherrlichen Umgang mit dem menschlichen Körper. Von Hagens sagt: „Ich mache aus der Gruselleiche ein Prachtplastinat.“ Die Anatomen wollen ihn aus ihrer Zunft rausschmeißen. Von Hagens sagt: „Ich sehe mich als ein Mini-Edison, ein Erfinder, irgendwann wird mich niemand mehr verlachen.“
Seine neue Bühne ist für die kommenden Wochen die Reeperbahn. Und mit Hamburg hat er große Pläne. „So wie ich hier willkommen geheißen werde, kann ich mir gut vorstellen, hier meinen Traum vom Menschenmuseum zu erfüllen.“ Ein Museum, in dem er dann dereinst selbst samt seiner gesamten Familie als präparierte Leiche ausgestellt sein würde.
Tatsächlich hat ihm die Regierung von Beust bisher den roten Teppich ausgerollt. „Der Senat ist offenbar schon selbst plastiniert“, argwöhnt ein Journalist – und für ein paar Hamburger Medien gilt das auch. Die Mopo und Radio Hamburg treten als offizielle Sponsoren auf. Man darf gespannt auf ihre kritische Berichterstattung sein.
Auf alle Vorwürfe hat von Hagens mittlerweile eine brillante Antwort einstudiert, nebenbei erwähnt er, dass als Referenz an die Reeperbahn Taxifahrer und Prostituierte freien Eintritt zu der Ausstellung haben. So was kommt an. 255 Menschen haben ihm bisher ihre Körper zum Ausschlachten oder Veredeln, je nach Sichtweise, zur Verfügung gestellt. Dass das ethisch bedenklich sein kann, ficht ihn nicht an – so funkioniere eben Hagenssche „Event-Anatomie“.
Am Ende der Pressekonferenz wird der in München verbotene „Reiter mit Pferd“ mit Pomp enthüllt. Sein Vorbild, so von Hagens, sei Walt Disney.
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