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Archiv-Artikel

Lebend nicht mehr versichert

Ab Neujahr 2005 müssen Empfänger von Arbeitslosengeld II erst einmal ihre Lebensversicherungen vernichten, bevor sie die letzten Almosen erhalten. Lebensversicherungen stellen sich auf die neue Zeit ein und schaffen neue Angebote

VON PETER ORTMANN

Was gestern noch wie ein böses Märchen klang, wird morgen Wirklichkeit: Die Rente ist nicht mehr sicher; und die private Altersversorgung auch nicht mehr. Denn die Kapital-Lebensversicherung gilt jetzt als Vermögen. Alle die ab kommendem Neujahr 2005 Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II beziehen, müssen diese Versicherungen vorzeitig kündigen und von dem schlechten Ertrag, den sie erzielen, erst einmal eine Zeit lang den Lebensunterhalt finanzieren. Dann erst dürfen sie die paar Euro, die ihnen die Regierung zugedacht hat, beantragen.

Das wurde gerade auch vor dem Berliner Landessozialgericht bestätigt. Der Fall einer 54-jährigen Langzeitarbeitslosen, der ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen ihrer Lebensversicherung verwehrt wurde, hat grundsätzliche Bedeutung und wurde deshalb zur Revision beim Bundessozialgericht zugelassen. Das Gericht erklärte, das Hartz-Reformgesetz könne nur vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden.

Doch es gibt wohl noch „ein paar Spielräume“, um Vermögens-Reserven vor dem Zugriff der Bundesagentur für Arbeit zu schützen. Das sagt Martin Künkel vom Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit. Auch Gewerkschaften und Sozialverbände mahnen zur Bedachtsamkeit. Gerade beim Ausfüllen der Anträge für das neue Arbeitslosengeld II sollten sich die über 2,1 Millionen Langzeitarbeitslose Zeit lassen. „Zuerst die persönlichen Familien- und Vermögensangelegenheiten optimal regeln und erst dann Auskunft geben“, rät Künkel. Wer eine Lebensversicherung besitzt, sollte sofort mit dem Versicherer sprechen und auf eine Änderung der Police drängen. Das Zauberwort heißt Verwertungsausschluss und den stellt eine Versicherung auf eine Stufe mit der so genannten Riester-Rente, die unantastbar ist.

„Die Bundesregierung hat eine neue Definition der privaten Altersversorgung geschaffen“, sagt Gabriele Hoffmann, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Der Trend gehe von der Lebensversicherung zur privaten Rentenversicherung. Die Unternehmen kreierten deshalb neue Systeme einer Leibrentenversicherung, die die alte Lebensversicherungen weitgehend ablösen werde. Von Zurückhaltung im Abschluss von Lebensversicherungen hält der Verband nichts. „Der Umkehrschluss zu Hartz kann nicht sein, den Kopf jetzt in den Sand zu stecken“, sagt Hoffmann. Die gesetzliche Rente werde in Zukunft nicht reichen. Arbeitnehmer müssten weiterhin zur Vermögensbildung für ihr Alter sorgen.

Ausgewirkt hätten sich die Diskussionen um Hartz IV, Alg II und Vermögen in Form von eingezahltem Kapital auf Lebensversicherungen bisher noch nicht: „Eine Kündigungswelle bei den Unternehmen gibt es momentan nicht.“ Auch Hoffmann weist auf den Verwertungsauschluss bei Lebensversicherungen hin. „Da kann viel Geld gerettet werden“. Denn wenn das Kapital nicht veräußerbar und nicht vorzeitig kündbar sei, könne es von der Bundesanstalt für Arbeit nicht als Vermögen angerechnet werden. „Dann ist die Versicherung wie die Riester Rente anzusehen“.

„Die Deutschen Versicherer stehen am Anfang einer tief greifenden Veränderung“. Das sagte auch Bertram Valentin, Geschäftsführer der britischen Standard Life Versicherung. Das Alterseinkünftegesetz und die Besteuerung der Lebensversicherungen werden den Altersvorsorgemarkt maßgeblich verändern. Verschiedene Kapitalanlagen würden in Zukunft miteinander konkurrieren, wie es in anderen europäischen Ländern bereits üblich sei. Was der Bezieher von ALG II davon hat, der mit rund 350 Euro im Monat auskommen soll, sagte er nicht.

www.verbraucherzentrale-nrw.de/grauer-kapitalmarkt.