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Archiv-Artikel

Ein Kandidat mit holländischer Spontaneität und deutschen Tugenden

Seit 13 Jahren mischt der rührige Niederländer Adriaan Nijkamp (58) Dynamik und Risikobereitschaft unter die eher bodenständigen Odenthaler. Jetzt möchte der Parteilose als erster EU-Ausländer Bürgermeister in NRW werden. Als erste Amtshandlung würde der Mann mit dem „Goudadeutsch“ den Flächennutzungsplan vom Rat neu diskutieren lassen

Odenthal taz ■ Das Sitzen liegt ihm nicht, das sieht man gleich. Lieber würde er das Gespräch mit der Zeitung auf einer Fahrradtour hinter sich bringen oder bei einem Spaziergang durch die Natur seiner Wahlheimat Odenthal. Aber nun hat seine Frau Susanna schon den Tisch gedeckt, Kaffee und Kekse serviert. Und deshalb sitzt Adriaan Nijkamp jetzt eben auf einem Gartenstuhl am Tisch. Eine vorläufige Position. Er sitzt in den Startlöchern, es kann jeder Zeit losgehen.

Adriaan Nijkamp ist bereit für den großen Sprung. Bürgermeister von Odenthal möchte der 58jährige parteilose Niederländer werden. Ohne deutschen Pass, aber mit einer Menge Energie und Selbstbewusstsein. Er ist der erste EU-Ausländer in Nordrhein-Westfalen, der für ein kommunales Amt kandidiert. Und, da ist er sich sicher, er wird hier auch der erste nichtdeutsche Bürgermeister sein. „Ich werde Bürgermeister. Das ist klar“, sagt er und dreht seine Handflächen nach oben wie ein Zauberer, der gerade ein Kaninchen aus dem Hut geholt hat.

Dass der grauhaarige Mann mit dem „Goudadeutsch“, wie er seinen Akzent selbst nennt, im kleinen bergischen Städtchen unter dem Altenberger Dom Ende September nach dem höchsten politischen Amt greifen könnte, hat unterdessen nichts mit Magie zu tun. Schon eher mit seiner Dynamik, seiner Risikobereitschaft, die er selbst als „typisch holländisch“ bezeichnet. Und mit seiner präzisen Vorbereitung, „die vielleicht eher deutsch ist“. Und ganz nebenbei auch mit der Liebe. Der Grund, warum es den in Breda geborenen Südniederländer in das östliche Nachbarland zog, „hat fünf Buchstaben und beginnt mit L“, sagt Nijkamp und hebt sein Kinn in Richtung Gartenbank, auf der seine Frau Susanna sitzt und lächelt.

Die Vorbereitung auf die Kommunalpolitik läuft schon seit 14 Jahren. Damals als er Susanna auf einer Messe in Köln kennen lernte, bei der er als Event- und PR-Manager tätig war und Gefallen fand am Rheinland, organisierte sie ein Abonnement des Kölner Stadt-Anzeigers, das er ein Jahr täglich in seinem Briefkasten daheim vorfand. „Die Zeitung hat mir bei meiner Integration geholfen. Immer wenn ich zu Besuch war, konnte ich in unserer Stammkneipe mitreden, wenn es um kommunale Angelegenheiten ging.“

Wenn er wie jetzt den Blick über die weiten Felder hinter seinem Haus schweifen lässt, die Landschaftsschutzgebiet sind, aber trotzdem als Baufläche ausgewiesen werden sollen, hört er auf, von seiner Vergangenheit zu erzählen. Er landet wieder in der Gegenwart, bei den Aufgaben, die er gerne übernehmen würde. Und beim Flächennutzungsplan, der für ihn ein großes Ärgernis darstellt. Er rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her und gestikuliert wild. „An meinem ersten Arbeitstag hole ich den Flächennutzungsplan wieder zurück und wir werden im Rat neu darüber entscheiden“, sagt Nijkamp, und man sieht ihm an, dass er am liebsten gleich aufstehen und die von der CDU-Mehrheit im Rat beschlossene Sache aus der Welt schaffen würde.

Schon als er noch aktives Mitglied bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft UWG war, hat er gegen die Zerstörung der Natur in Odenthal gewettert. Heute kandidiert er als Parteiloser auf Anfrage der Bürgerinitiative für das Amt des Bürgermeisters und hat sein Parteibuch deshalb abgegeben. „Ich möchte die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger vertreten“, sagt er.

Seine Frau bestätigt, dass das nicht nur leere Worte sind. „Ich bewundere an Adriaan, dass er vor jedem Menschen Respekt hat. Dass er das Gespräch mit dem Bundeskanzler genauso wichtig findet wie das mit dem Arbeiter in der Kneipe.“ Und auch an die niederländische Ruhelosigkeit hat sie sich während der letzten 13 Jahre gewöhnt. „Inzwischen kann ich damit umgehen“, sagt sie und blickt auf ihren wippenden Gatten.

„Wir Holländer haben eine hohe Risikobereitschaft. Anfangs ging das den bodenständigen Odenthalern manchmal zu schnell“, sagt Adriaan Nijkamp. Aber mittlerweile hätten alle Beteiligten voneinander gelernt. Er von der klischeehaften Gründlichkeit, die Odenthaler von seiner impulsiven Vorgehensweise. Egal ob Nijkamp im September Bürgermeister der kleinen bergischen Gemeinde wird oder nicht. Seinen Spitznamen hat er schon weg. Im Ort nennt man ihn den „Fliegenden Holländer“. Claudia Lehnen