zwischen den rillen : Durchgeknallte Hamster im Laufrad
Die drei Jungs von Von Spar waren früher bestimmt der Albtraum einer jeden Kindergärtnerin: hyperaktive Zappelphillippe, aufsässige Nervensägen. Gut, dass es Popmusik gibt. Immer noch bietet sie einen der wunderbarsten Katalysatoren für sozial inkompatibles Verhalten: Mach einfach eine Platte draus.
„Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“ heißt das Debut von Von Spar programmatisch. Hier schwingen Systemkritik und Selbstdefinierung zu gleichen Teilen mit. „Wir brauchen mehr Dynamit“, keift Sänger Thomas Mahmoud auf dem Track „Kopfsteinpflaster“ mit überdrehter Stimme. Von Spar sind aber keine Bombenleger, viel eher durchgeknallte Hamster, die ihr eigenes Laufrad durch exzessives Strampeln zum Bersten bringen wollen.
Die Band funktioniert wie eine Sampling Maschine mit echten Instrumenten. Tradierte musikalische und textliche Motive aus Wave, Punk, Disco und Elektro werden aufgegriffen, recycelt, und falsch rum wieder zusammengefügt. Natürlich immer vor dem Hintergrund des Hier und Jetzt, des eigenen unguten Gefühls, dass das System wie es ist, ein grundlegend Falsches ist.
„Keine Atempause“ wollten uns ja schon Anfang der 80er Jahre die Fehlfarben gönnen. Von Spar treiben diesen Ansatz eindrucksvoll auf die Spitze. Zum Luftholen bleibt 38 Minuten lang überhaupt keine Zeit. Wie soll man auf eine derartige Reizüberflutung bloß reagieren? Nerven aus Stahl brauchen eiserne Männer, die da ruhig sitzen bleiben wollen, der Rest drückt schnell auf Stop oder lässt sich einfach drauf ein, springt mit Schaum vor dem Mund durch die Wohnung und zertrümmert seinen Fernsehapparat: Mach kaputt, was Dich kaputt macht!
Lange her, dass einer Band aus Köln solch ein Hype zuteil wurde. Schuld daran ist wohl der Deal mit dem Indie-Label L‘Age D‘Or, seit 15 Jahren der Inbegriff für deutschsprachigen Pop-Intellekt. Dabei sind zumindest Mahmoud und Schlagzeuger Phillip Janzen keine unbeschriebenen Blätter. Als Mitglieder von Bands wie Urlaub in Polen und Oliver Twist tingeln sie seit Jahren durch Clubs und Jugendzentren. So richtig zu knallen scheint es aber erst jetzt. Oliver Minck
Von Spar: „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“, erschienen bei L‘Age D‘Or/Motor