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Archiv-Artikel

Aus der Traum von Call Center City

Vor acht Jahren ließ Bremen sich den Titel „Call-Center City“ patentieren. Heute löst eine Anfrage beim Bremer Senat Verwunderung aus. Aktuell ist noch nicht einmal bekannt, wieviele Arbeitsplätze die Branche bereithält

von Axel Domeyer und Elke Heyduck

Bremens Plan, zur Call Center-Metropole aufzusteigen, ist fehlgeschlagen. In Hochzeiten beschäftigte die Branche 2.500 Telefon-Agenten in Bremen – wie viele es heute noch sind, weiß weder die Handelskammer noch der Dachverband ’Call Center City’. „Wir haben vor drei Jahren die letzte Erhebung gemacht, damals waren es noch 2.200“, so Michael Schnepel, einer der Sprecher des Dachverbands. Staatliche Subventionen, so die Information aus dem Finanzressort, gäbe es zwar immer noch, „wenn ein Call-Center käme, das die Kriterien erfüllt“. Nur: Es kommt keines mehr. 28 Call-Center haben zwischen 1998 und 2003 Geld von Bremen bekommen, wie viel, will das Ressort nicht sagen. Eigentlich muss dieses Geld zurückgezahlt werden, wenn das Unternehmen Bremen wieder verlässt. 460.000 Euro an Call-Center-Starthilfe aber, das ist schon klar, sind endgültig weg – die Empfänger haben Pleite gemacht. „Es kann sein, dass es noch mehr werden“, sagt eine Sprecherin des zuständigen Finanzsenators: „Die Ende der 90er-Jahre gehegten Hoffnungen in den Call-Center Markt haben sich nicht erfüllt.“

1996 war Bremen das erste Bundesland, das auf den Call-Center-Zug aufsprang. Im Airport-Center in Nachbarschaft des Flughafens stellte die BIG Flächen zur Verfügung und schnell zogen die ersten Call-Center ein. Unterstützung erhielten sie dabei reichlich: Bis zu 28 Prozent der Investitionen übernahm die BIG. Um das Jahr 2000 kam es dann zu einer regelrechten Gründungswelle: In über 55 Centern fanden 2.500 Agenten Arbeit, wenn auch die meisten in Teilzeit-Jobs.

Dumm nur, dass Bremen sich die besondere Höhe der Subventionen nicht als eigene Idee patentieren lassen konnte. In mehreren Ost-Bundesländern erhielten Call-Center-Neugründungen gleich die Hälfte ihrer Investition als Geschenk vom Staat dazu. 2002 machte deshalb die Bremer Niederlassung der Telefonauskunft Telegate dicht – das Unternehmen zog es vor, seinen Standort im mecklenburg-vorpommerschen Wismar auszubauen. 90 Arbeitsplätze gingen verloren, im Jahr zuvor hatten noch 200 Agenten für das Unternehmen telefoniert.

Telegate zahlte mehrere Hundert-Tausend Euro Subventionen an Bremen zurück. Ein größeres Problem waren Call-Center, die gleich ganz pleite machten – die gezahlten Fördergelder gingen verloren. „Da haben sich manche zwar nicht grade eine goldene Nase, aber doch eine gesunde geholt“, formuliert Call-Center City-Mann Schnepel, der selbst ein gemeinnütziges Call-Center betreibt und daher nie Anrecht auf Förderung hatte. Von den ehemals 55 Call-Centern gibt es heute noch 29 – fast die Hälfte ist entweder Konkurs gegangen oder abgewandert. In der Branche gelten die Subventionsritter als „schwarze Schafe“, die sich den Hype Ende der 90er-Jahre zu Nutze machten. Mittlerweile habe der Markt sich „konsolidiert“, so Schnepel.

Dennoch geraten nach wie vor Call-Center in Schwierigkeiten. Vor allem Anbieter von einfachen Telefon-Services wie Auskunft oder Bestellungsabwicklung sind betroffen. Für ihre Auftraggeber ist das in Bremen gesprochene Hochdeutsch nicht entscheidend – telefoniert ein Center anderswo günstiger, bekommt es den Zuschlag. Auch das Internet sorgt für Konkurrenz: Der Bremer Flugticket-Verkäufer Flyline etwa kündigte jüngst 45 seiner etwa 350 Mitarbeiter wegen mangelnder Auslastung. „Viele Leute buchen halt lieber im Netz – das ist einfacher“, sagt ein Betriebsrat.

Komplexere Serviceleistungen bieten vor allem Call-Center, die Unternehmen für fir–meninternen Bedarf einrichten. Der Bremer Energieversorger swb-enordia etwa berät seine Kunden im eigenen Center. Die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitsplätze in diesem Bereich aus Bremen abwandern, schätzt eine Sprecherin gering ein: „Die Beratung in externe Call-Center auszulagern, lohnt sich nicht – darunter leidet die Qualität.“ Gering dürften somit auch die Chancen sein, dass auswärtige Unternehmen mit ihrem Telefon-Service nach Bremen umziehen.

Ein weiterer Umstand, der die Ausweitung des Call-Center Markts weniger wahrscheinlich macht, ist die im Juni verabschiedete Novelle des Wettbewerbsgesetzes (UWG). Sie verbietet Werbe-Telefonate, hat der Angerufene sie nicht ausdrücklich erlaubt. Die Lobby der Call-Center Betreiber hatte bis zuletzt versucht, dies zu verhindern. Ihre Drohung: Verlagerung von Arbeitsplätzen in andere EU-Staaten, von denen aus Werbe-Telefonate auch nach Deutschland geführt werden könnten.

Dass die Call-Center Branche Bremens wirtschaftliche Probleme nicht lösen wird, ist mittlerweile auch den einst so euphorischen Wirtschaftsförderern klar. 1996 ließ Bremen sich noch den Titel „Call-Center City“ patentieren. Heute löst eine Anfrage beim zuständigen Finanzressort Verwunderung aus: „Call-Center? Das ist doch längst passé!“