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Archiv-Artikel

Von Accra nach Hildesheim

Aus Verzweiflung über die Tristesse ihres Alltags schrieb die ghanaische Schriftstellerin Amma Darko in Deutschland ihr erstes Buch. In ihrem jüngsten Roman, „Die Gesichtslosen“, thematisiert sie besonders die Situation von Frauen in Ghana

von KATRIN SCHNEIDER

„Wäre ich in den 80er-Jahren nicht nach Deutschland gekommen, so hätte ich wahrscheinlich nie mit dem Schreiben angefangen“, so die ghanaische Schriftstellerin Amma Darko, die in den letzten Wochen durch Deutschland reiste, um ihr neuestes Buch, „Die Gesichtslosen“, vorzustellen. Denn damals, als sie in einem Dorf in der Nähe von Hildesheim weit und breit die einzige Afrikanerin war, fühlte sie sich isoliert und einsam. Das Schreiben wurde für sie zu einer Art Therapie, schreibend konnte sie der Einsamkeit zeitweise entfliehen.

Die heute 46-Jährige, die in Ghana an der Universität Kumasi Industriedesign studiert hatte, war 1981 mit einem Touristenvisum, das ein Freund für sie besorgt hatte, nach Deutschland eingereist. „Hätte er ein Visum für ein anderes europäisches Land besorgt, wäre ich auch dorthin gegangen“, zieht sie heute Bilanz. Denn in Ghana, das nach einem Militärputsch Anfang der 80er-Jahre wirtschaftlich am Boden lag, sah sie für sich damals keinerlei Perspektive.

Amma Darko musste bald feststellen, dass das Leben in Deutschland wesentlich schwieriger war, als sie erwartet hatte. Sie stellte einen Antrag auf politisches Asyl, konnte jedoch von dem staatlichen Unterhalt, der ihr als Asylbewerberin zustand, nicht leben und verdiente sich als Putzfrau und Kellnerin etwas Geld dazu. Von dem Lohn kaufte sich Darko Papier und Stifte und begann abends, wenn sie allein in ihrer Dachkammer saß, ihren ersten Roman, „Der verkaufte Traum“. zu schreiben. Darin erzählt sie die Geschichte der ghanaischen Frau Mara, die ihre Kinder bei ihrer Familie in Ghana lässt, um ihrem Mann nach Deutschland zu folgen. Der Traum von einem besseren Leben und materiellem Erfolg, der es erlauben würde, die Familie in Ghana finanziell zu unterstützen, zerplatzt jedoch schnell, denn bereits kurz nach ihrer Ankunft muss sie feststellen, dass ihr Mann mittlerweile eine Deutsche geheiratet hat, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Mara wird dieser Frau als seine Schwester vorgestellt und von ihrem Mann gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten.

Amma Darko hat während der Arbeit an diesem Roman viel über die Lebenssituation von afrikanischen Migrantinnen gelesen und Gespräche mit Mitarbeiterinnen von kirchlichen und sozialen Organisationen geführt, die Kontakte zu Prostituierten hatten. „Ich verstehe“, so sagt sie, „dass viele Frauen, die illegal in Deutschland leben, in der Prostitution landen, um möglichst schnell viel Geld zu verdienen, denn der Erwartungsdruck zu Hause in Afrika ist enorm.“ Und so war auch ihre Familie sehr enttäuscht, als sie 1987, nachdem sie als „Wirtschaftsflüchtling“ aus Deutschland abgeschoben worden war, nicht mit einem Auto, sondern nur mit einem Stapel beschriebenen Papiers nach Ghana zurückkehrte.

Immerhin wurde das Manuskript 1990 veröffentlicht, und Amma Darko bekam von der Regisseurin Helma Sanders eine Einladung nach Deutschland, um über eine mögliche Verfilmung des „Verkauften Traums“ zu sprechen. Die Einreise wurde ihr allerdings am Flughafen Düsseldorf mit der Begründung verweigert, es liege gegen sie ein „Einreiseverbot wegen unbefristeter Abschiebung“ vor. So musste sie mit dem nächsten Flug nach Accra zurückkehren.

Dies ist nicht die einzige negative Erfahrung, die sie in Deutschland gemacht hat. Sehr viel schlimmer noch war ein Erlebnis, das sie 1999 hatte, als sie während eines sechsmonatigen Aufenthalts auf Schloss Solitude in der Nähe von Stuttgart eine Lesereise machte, die sie unter anderem nach Rügen führte. Dort wurde sie bereits am Bahnhof von Skins übel beschimpft und mit Bierflaschen beworfen, weshalb sie die Lesereise durch Mecklenburg-Vorpommern sofort abbrach.

Ihre Erfahrungen in Deutschland hat Amma Darko in ihren ersten beiden Büchern, „Der verkaufte Traum“ und „Spinnweben“, verarbeitet, seitdem wendet sie sich der Lebensrealität in Ghana zu. Seit ihrer Rückkehr aus Deutschland lebt sie dort mit ihrem Mann und ihren mittlerweile drei Kindern in der Hauptstadt Accra. Tagsüber arbeitet sie im Finanzamt, weil sie von ihren Honoraren als Schriftstellerin nicht leben kann, obwohl sie bereits fünf Bücher geschrieben hat, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden, und obwohl sie 1998 die höchste literarische Auszeichnung Ghanas, den Book Award, erhalten hat.

Wann sie neben ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen die Zeit zum Schreiben ihrer Bücher findet, bleibt ihr Geheimnis. Ein Notizbuch hat sie immer bei sich, um Gedanken und Ideen notieren zu können, und manchmal, so erzählt sie, flüchtet sie samstagsmorgens in eine Bibliothek, um dem hektischen Leben zu entfliehen und sich einen eigenen Freiraum zu schaffen. Denn spätestens dann, wenn sie aus ihren vielen Notizen eine Geschichte komponiert, benötigt sie Ruhe und einen Raum, in dem sie nicht gestört wird.

In ihren Büchern thematisiert sie soziale Probleme, besonders die Situation von Frauen, die unter Polygamie und fehlender Schulbildung leiden und allzu oft ihre Kinder allein durchbringen müssen, weil die Väter sich der Verantwortung entziehen. Ihre Geschichten spielen auf den Märkten Accras oder auf der Straße, sie sind voll Ironie und Sarkasmus, und die Dialoge hören sich authentisch nach des Volkes Stimme an. Amma Darko hat drei Jahre in einem Büro der Distriktverwaltung gearbeitet, das sich mitten in einem Markt befand. So hatte sie Gelegenheit, den Marktfrauen und ihren Kunden täglich zuzuhören und ihren Alltag zu beobachten.

Mit ihren Büchern möchte sie einer europäischen und amerikanischen Leserschaft ein realistisches Bild des afrikanischen Alltags vermitteln. Die Menschen, über die sie schreibt, die kleinen Leute und die Marginalisierten der Gesellschaft, haben weder Zeit noch Geld, ihre Bücher zu lesen, die zudem in Ghana kaum erhältlich sind, da die wenigen ghanaischen Verleger das Risiko, einen Roman zu veröffentlichen, nicht eingehen wollen.

Alle Bücher von Amma Darko sind im Schmetterling Verlag erschienen: „Der verkaufte Traum“, 1990; „Spinnweben“, 1996; „Das Hausmädchen. Zwei fast unglaubliche Geschichten aus Ghana“, 1999. „Verirrtes Herz“, 2000; „Die Gesichtslosen“, 2002