EU-Zwerge beraten Verfassung

Kleine und neue Mitgliedsländer für offene inhaltliche Debatte des Verfassungsentwurfs auf bevorstehender Regierungskonferenz. Schwedens Stellungsnahme verzögert sich

STOCKHOLM taz ■ Bei seinem Besuch in Prag in der vergangenen Woche wurde Joschka Fischer deutlich: Es könne zu einer Krise kommen, falls der EU-Verfassungsentwurf nicht bis dahin planmäßig verabschiedet werden könne. Man solle sich daher hüten „das Paket noch einmal aufzuschnüren“.

Auch in Finnland hatte Fischer kurz zuvor etwas geschockte Gastgeber hinterlassen. Als „drohend“ bezeichneten Medien seine Aussagen zur EU-Regierungskonferenz. Wer den Konsens in Frage stelle, habe die Verantwortung, einen neuen zu finden, hatte Fischer gesagt. Premier Matti Vanhanen machte klar, dass Finnland den Vorschlag des Konvents nicht als Paket ansehe, dessen Inhalt feststehe. Heute treffen sich in Prag die kleinen Länder. Sie eint das Gefühl, bei der Konventsarbeit zu wenig zu Wort gekommen zu sein und jetzt auf der Zielgeraden überfahren zu werden.

Von „zwei, höchstens drei Änderungen“ am Vertragstext und einem „Feinschliff“ sprach Ratspräsident und Vorsitzender der am 4. Oktober beginnenden Regierungskonferenz, Silvio Berlusconi, beim Besuch von Gerhard Schröder in Verona. Letzterer hatte gewarnt, dass, wer dieses Paket öffne, es nicht mehr werde versiegeln können. Damit stieß Schröder sogar in Schweden auf offenen Widerstand.

Stockholm werde seinen Standpunkt zum EU-Verfassungsentwurf nicht wie von Italien gewünscht im Oktober vermitteln, sondern Mitte November, verkündete Außenministerin Anna Lindh. Auch sei die schwedische Regierung der Ansicht, dass Italiens Regierung grundsätzlich nicht die Voraussetzungen habe, die Verfassungsarbeit abzuschließen. Das solle Irland 2004 übernehmen.

Neben diesem Vorbehalt will Stockholm eine klare Regelung der Politikbereiche, über die der Rat mit Mehrheit entscheidet, und solchen, wo das Veto eines Landes fortbesteht. Man fürchtet vor allem eine Aushebelung des nationalen Selbstbestimmungsrechts über das Steuersystem durch Mehrheitsbeschlüsse.

Auch Finnland und die meisten neuen Mitgliedsländer wollen das Konsensprinzip im Sozial- und Steuerbereich sowie in der Außenpolitik festgeschrieben sehen. Darüber hinaus möchte man eine Regelung, die jedem Land einen gleichberechtigten Vertreter in der Kommission garantiert. REINHARD WOLFF