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Archiv-Artikel

Ab sofort: Wegezoll im Alltagstest

Mit einer technischen Weltneuheit startet das deutsche Mautsystem für Lkws. Spediteure wollen sich zunächst nicht an der freiwiligen Testphase beteiligen. Deutsche Post setzt künftig mehr auf den Schienentransport. Postpakete sollen teurer werden

aus Berlin ADALBERT SINIAWSKI und NINA MAGOLEY

Der Startschuss fiel in der Nacht zu Sonntag: Um Punkt 0 Uhr ging auf deutschen Autobahnen das neue Mautsystem in Betrieb. Zur Kasse gebeten werden – noch nicht jetzt, erst ab Regelbetrieb – alle Speditionen mit Lkws ab 12 Tonnen Gesamtgewicht. Abhängig von Achsenzahl und Schadstoffausstoß des Lkws werden zwischen 9 und 14 Cent pro Kilometer erhoben. Wie die Spediteure zahlen, können sie sich aussuchen: per On-Board-Unit (OBU), per Internet oder cash am Maut-Terminal. Entwickelt wurden sämtliche Systeme vom Betreiberkonsortium Toll Collect.

Das OBU sieht aus wie ein Autoradio und kann für rund 300 Euro in ein Fahrzeug eingebaut werden. Darin gespeichert weden alle relevanten Daten wie Schadstoffausstoß, Anzahl der Achsen, Gewicht und Kfz-Kennzeichen. Ein Satellit ortet über das Global Positioning System (GPS) regelmäßig die Position des Lkws, erkennt dabei mautpflichtige Strecken und misst die gefahrenen Kilometer. Über das OBU werden schließlich sämtliche Daten an Toll Collect geschickt und vom Konto des Spediteurs abgebucht. Aber auch ohne das On-Board-Unit kommt der Staat an den Wegezoll: Entweder schickt die Spedition vor jedem Transport alle nötigen Daten per Internet an Toll Collect oder der Lkw-Fahrer zahlt „klassisch“, in bar, mit Kreditkarte an einer der zukünftig 3.500 Mautterminals, die an Tankstellen und Autohöfen geplant sind. Entkommen kann dem neuen Mautsystem angeblich niemand: Bundesweit 300 fest installierte Kontrollbrücken sollen die mautpflichtigen Lkws mit Sensoren orten. Eine Kamera fotografiert das Fahrzeug mit Kennzeichen. Erkennt das System einen Mautpreller, werden alle Angaben an das Bundesamt für Güterverkehr übermittelt, von wo aus der Mautverstoß geahndet wird. Strafe: bis zu 20.000 Euro. Außerdem werden 535 Kontrolleure in etwa 300 Fahrzeugen bundesweit auf den Autobahnen unterwegs sein.

Ob die komplizierte Technik tatsächlich reibungslos funktioniert, wird sich in den kommenden drei Monaten zeigen. Wegen Schwierigkeiten bei der Entwicklung hatte sich der Start des Toll-Collect-Systems bereits um Wochen verzögert. Bislang sind noch nicht die Hälfte der nötigen Kontrollbrücken installiert. Sollte es bis zum eigentlichen Start am 2. November Ausfälle oder Störungen geben, drohen dem Betreiberkonsortium aus DaimlerChrylser und der Deutschen Telekom allerdings zunächst keine Entschädigungszahlungen, erklärte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe am Freitag in Berlin.

Ob das neue System während der freiwilligen Testphase von den Spediteuren überhaupt genutzt wird, ist fraglich. Kein Unternehmen werde freiwillig eine Zeitverzögerung in Kauf nehmen, „nur um zu testen, ob das System funktioniert“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) Heiner Rogge. Als Anreiz für die Teilnahme bietet Toll Collect zurzeit noch 100 Euro Rabatt beim Kauf einer OBU.

Von den geplanten 400.000 On-Board-Units sind nach Angaben der Toll Collect bisher erst rund 70.000 in deutschen Lkws installiert. Von Unternehmen sei bereits zu hören, so Rogge, dass nur etwa 30 bis 40 Prozent der Geräte funktionierten. Unterdessen zeigen die Mautpläne erste Auswirkungen: Neben einer Gebührenerhöhung beim Paketporto kündigt die Deutsche Post an, ihre Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn auszubauen. Das bereits bestehende „Parcel Intercity“-System auf Schienen soll künftig um eine Ost-West-Achse erweitert werden.

www.toll-collect.de