: „Die PDS kann damit leben“
Der Senat beschließt heute höhere Kitagebühren. Die Sozialisten schlossen das im Januar noch aus. Mehr zahlen sollen vor allem Besserverdiener. Die CDU-Fraktion nennt den Anstieg familienfeindlich
von STEFAN ALBERTI
„Eine Erhöhung wird es mit uns nicht geben.“ Erst sieben Monate alt ist dieser Satz, mit dem die PDS-Jugendpolitikerin Margrit Barth höhere Gebühren in Berlins Kitas ausschloss. Schnee von gestern: Es gibt die Erhöhung – aber nicht querbeet, sondern vor allem für Besserverdienende. Eltern mit Einkommen bis 26.339 Euro sollen bis auf Centbeträge unbehelligt bleiben, Großverdiener 50 Prozent draufzahlen. Das will heute der Senat beschließen, nachdem sich die Koalitionspartner SPD und PDS geeinigt haben. „Für fast 50 Prozent der Eltern ändert sich damit nichts. Das ist ein Ergebnis, mit dem die PDS leben kann“, sagte PDS-Fraktionschef Stefan Liebich der taz.
Die Opposition und die Erziehergewerkschaft GEW kritisieren die Erhöhung, die 12 Millionen Euro bringen soll. Angesichts dramatischer Geburtenrückgänge seien das die falschen Weichenstellungen, sagt CDU-Jugendpolitiker Sascha Steuer. Sein FDP-Kollege Sonning Augstin lehnt es ab, dass die Mehreinnahmen nicht etwa in die Kitas selbst, „sondern in das große schwarze Haushaltsloch“ fließen. „Angebot runter, Preise rauf“, resümiert Grünen-Expertin Elfi Jantzen. Ihr Verdacht: Rot-Rot wolle Besserverdienende dazu bringen, ihr Kind aus der Kita zu nehmen und eine Betreuung selbst zu organisieren, um Plätze zu sparen. Das stelle die soziale Mischung in Frage. Ähnliches befürchtete die GEW.
Bei der PDS wird Fraktionschef Liebich nicht gern an jenes frühere kategorische „Nein“ zu höheren Gebühren erinnert. Einen ganzen Bereich zu tabuisieren sei keine angemessene Aussage, meint er. Und überhaupt, heißt es aus der Fraktion, war das die einzige Aussage dieser Art. Offiziell vielleicht – doch unter der Hand war noch im Mai zu hören, die von der SPD angestoßene Gebührenerhöhung sei eine „ungeheure Provokation“.
Zu Jahresbeginn war sich Jugendsenator Klaus Böger (SPD) mit der SPD-Fraktion schon einig gewesen, die Gebühren um 6 Prozent anzuheben – für alle Einkommen. Das war weit entfernt von jenem Vorschlag, die Gebühren um bis zu 100 Prozent zu erhöhen, der sich vergangenes Jahr auf einer so genannten Giftliste der Finanzverwaltung fand.
Mitte März deutete die PDS-Fraktion erstmals an, dass höhere Gebühren kein Tabu seien. Vor die Wahl gestellt, das bundesweit einmalige Berliner Kita-Angebot drastisch zu reduzieren oder Besserverdienende ranzuziehen, sei man „der zweiten Möglichkeit zugeneigt“, hieß es vorsichtig.
Das Resultat ist eine Gebührentabelle, die sich deutlich kleinschrittiger als bisher am Elternverdienst anlehnt. Bislang gab es 9 Gehaltsgruppen, nun sollen es rund 40 werden, mit Sprüngen von nur je rund 1.500 Euro. Spitzenverdiener ab um die 80.000 Euro zahlen 50 Prozent mehr als bisher: voraussichtlich 423 statt 286 Euro monatlich. „Für mich ist das soziale Gerechtigkeit“, sagt Liebich.
Die PDS-Fraktion bestreitet deshalb ein Einknicken bei den Gebühren, sieht sich als soziales Korrektiv gegenüber einem widerstrebenden Koalitionspartner. „Es war ein sehr schwieriges Stück Arbeit, die unteren Einkommensgruppen auszunehmen“, sagt Liebich. Ob die SPD-Fraktion das anders sieht, blieb gestern ungeklärt – sie antwortete auf Anfrage nicht. Aus Bögers Jugendverwaltung widersprach Sprecher Thomas John: „Das ist überhaupt nicht schwierig gewesen. Es war von vornherein klar, das niedrige Einkommen nicht höher belastet werden.“
John weist die Kritik zurück, dass Eltern zwar mehr zahlen müssten, aber wegen jüngst tariflich vereinbarter Arbeitszeitverkürzungen die Qualität leide. „Am Angebot wird sich nichts, aber auch gar nichts verschlechtern.“ Im Gegenteil soll es Verbesserungen geben, die Böger mit einem im Juni vorgestellten Kita-Bildungsprogramm erzielen will. Skeptiker bezweifeln, ob sich das mit dem vorhandenen Personal umsetzen lässt.