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Archiv-Artikel

Bahn kennt keine Gnade

Im Bochumer Bahnhof musste der Buchhändler nach mehr als 50 Jahren aufgeben. Grund: Horrende Miete. Deutsche Bahn: „Kein Kommentar“

Die Zusammenarbeit mit der Bahn funktioniert – ist aber oft sehr schwierig

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Seit 1998 hat Wolfgang von Lengerke darauf gewartet, dass der Bochumer Hauptbahnhof saniert wird. Jetzt, sechs Jahre später, musste der Betreiber der Bochumer Bahnhofsbuchhandlung die Warterei aufgeben und seinen Familienbetrieb schließen. „Bundesweit ist der Umsatz um 15 bis 20 Prozent gesunken“, sagt der Buchhändler. Doch das ist anscheinend nicht der einzige Grund für von Lengerkes Untergang: Auch die Deutsche Bahn (DB) soll ihr Möglichstes dazu beigetragen haben.

Als von Lengerke 1998 einen neuen Vertrag mit der DB aushandelte, verlangten die Bahner mehr Pacht – schließlich sollte der Bahnhof herausgeputzt werden und auf diese Weise mehr Kundschaft locken. Von Lengerke unterschrieb also. Und dann passierte erst mal – nichts. Bis die Sanierung im Jahre 2002 endlich in Angriff genommen wurde – und kurze Zeit später schon wieder vorbei war. Der mit dem Umbau beauftragte Unternehmer hatte Insolvenz angemeldet. Wieder verstrichen zwei Jahre. In den nächsten Tagen soll der Umbau erneut angefangen werden. Von Lengerke nützt das allerdings nichts mehr. Er und sein Kompagnon Stephan Schulze können das Geld für die Miete nicht mehr aufbringen.

Die Bahn scheint das nicht zu interessieren. Gegenüber der taz wollte sich der zuständige Pressesprecher, Jürgen Kugelmann, nicht äußern: „Darüber reden wir nicht“, sagte Kugelmann. Dies sei ein Problem, dass allein mit dem Vertragspartner ausgehandelt werde – und nicht öffentlich. Auch die Schwere der Vorwürfe ist Kugelmann egal. So wirft von Lengerke der Bahn beispielsweise vor, ihn nie fair behandelt und ihm zudem ständig mit Kündigung gedroht zu haben. Schon den Vertrag von 1998 habe er nur deshalb unterschrieben, da die Bahn sonst, so von Lengerke, einen anderen Buchhändler bevorzugt hätte.

Was sie nun getan hat. Vor wenigen Tagen eröffnete der Aachener Zeitschriften-Grossist Falter im Bochumer Bahnhof eine neue Dependance. Falter hatte sich um die Filiale beworben, nachdem die Bahn auf ihn zugekommen war: „Mit Herrn von Lengerke war der Streit offenbar so enorm, dass die Bahn gesagt hat: ‚Den wollen wir nicht mehr‘“, erzählt Michael Falter, der insgesamt zehn Bahnhofsbuchhandlungen in Nordrhein-Westfalen betreibt. Auch er findet die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn nicht immer einfach: „Sie funktioniert zwar“, sagt Falter, „ist aber oft sehr schwierig.“ Vor allem in letzter Zeit, da aufgrund diverser Umbauten immer wieder die Ansprechpartner wechselten. Wenn die Bahn denn überhaupt umbaut: In Aachen warte man ebenfalls schon seit Jahren darauf, dass der Bahnhof renoviert werde, sagt Falter. Derlei Verzögerungen seien „Usus“ bei dem Transportunternehmen.

Waltraut Nitsch vom Einzelhandelsverband NRW in Düsseldorf findet die Auseinandersetzung sonderbar. In der Regel handele es sich in Bahnhöfen um eine „Sockelpacht“ und eine zusätzliche Umsatzbeteiligung. Somit müsse auch die Bahn die sinkenden Umsätze zu spüren bekommen haben, sagt Nitsch. Insgesamt seien die Einzelhändler in Bahnhöfen „unterschiedlich glücklich“. Insbesondere der Buchhandel sei aufgrund von Preisbindungen sehr unbeweglich: „Die können nicht frei kalkulieren“, sagt Nitsch, die sich wundert, dass von Lengerke sechs lange Jahre freiwillig gezahlt hat. Doch: Hatte der Buchhändler eine andere Wahl?