: Mauretanien von Heuschrecken gefressen
Sämtliches Grün in der Hauptstadt Nuakschott verspeist, nachdem schon die Agrargegenden Mauretaniens von mindestens 35 Schwärmen überfallen wurden. Der Grund: Ausnahmsweise gab es letztes Jahr im Sahel keine Dürre
BERLIN taz ■ Tausende von Wanderheuschrecken haben am Mittwoch die mauretanische Hauptstadt Nuakschott besetzt und sämtliches Grün von Bäumen, Gärten und Grünanlagen aufgefressen. Der Himmel verdunkelte sich durch den Schwarm, meldeten Nachrichtenagenturen. Zuvor waren die Heuschrecken im Landesinneren über Ackerflächen und Baumschulen hergefallen.
Mauretanien zählt zu neun Ländern in Nord- und Westafrika, die dieses Jahr Verheerungen durch außergewöhnlich große Heuschreckenbevölkerungen befürchten. Dies folgt auf überdurchschnittlich hohe Regenfälle im vergangenen Jahr. Dadurch haben die bitterarmen Sahelländer Afrikas zwar gute Ernten eingefahren, aber von der Feuchtigkeit profitieren eben auch die Heuschrecken.
Bereits im Oktober 2003 warnte die UN-Agrarorganisation FAO vor hohen Heuschreckenkonzentrationen im Nordwesten Mauretaniens, dem Norden Nigers und Nordost-Sudan – drei Wüstengebiete. Anfang 2004 wurde die Ausbreitung von Heuschrecken aus diesen Regionen nach Mali, Algerien, der Westsahara und die Küste Saudi-Arabiens gemeldet. Ende Februar bat die FAO international um neun Millionen Dollar zur Heuschreckenbekämpfung. Im April weitete sie den Appell auf 17 Millionen Dollar aus.
Doch das war zu spät. Am 26. Mai erklärte die FAO: „In großen Landstrichen südlich der Atlasberge, von Marokko über Algerien und Tunesien bis in den Westen Libyens, pflanzen sich die Heuschrecken fort. Sie befinden sich im letzten Stadium vor dem Erwachsenwerden. Die Bildung von Heuschreckenschwärmen wird ab Ende dieses Monats erwartet. Die Winde werden erhebliche Zahlen erwachsener Heuschrecken nach Süden in die westafrikanische Sahelregion tragen, wo sie etwa Mitte Juni in Südmauretanien, Nordsenegal, Mali, Niger und Tschad ankommen könnten.“
So kam es auch. Zwischen Anfang Juni und dem 8. Juli registrierte Mauretanien 35 separate Heuschreckenschwärme mit jeweils mehreren Millionen Exemplaren. Die Behörden kamen mit der Schädlingsbekämpfung nicht hinterher. Die FAO erklärte Mitte Juli, die Viecher würden demnächst sogar in der sudanesischen Krisenregion Darfur erwartet, wo die Hilfswerke derzeit andere Sorgen haben. Erst am 27. Juli trafen sich Vertreter der neun betroffenen Länder in Algerien, um den Kampf gegen die Heuschrecken zu koordinieren.
Wüstenheuschrecken leben FAO-Angaben zufolge normalerweise allein. Bei günstiger Wetterbedingungen aber wie mehr Regen finden sie viel Nahrung und vermehren sich stark. Wenn dann die Trockenzeit wiederkehrt und das Nahrungsangebot schrumpft, finden sich die Heuschrecken in Schwärmen zusammen und beginnen zu wandern. Die Schwärme können eine zweistellige Millionenzahl an Einzeltieren umfassen, wovon jede täglich rund zwei Gramm frisst, was ihrem Körpergewicht entspricht. DOMINIC JOHNSON