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Archiv-Artikel

Tanz um den goldenen Zahn

Der Zahnersatz wird die Gesundheitsministerin bald schmerzen. Sie steht vor der Wahl: Nachverhandlungen mit der Union – oder Zank mit den Krankenkassen um die Kosten

BERLIN taz ■ Einen hässlichen Namen hat das ungeliebte Kind bereits. „Kleine Kopfpauschale“ wurde die Neuregelung des Zahnersatzes schon bald getauft, nachdem in den Gesundheitsreformverhandlungen im Sommer 2003 die Parteivorsitzenden Angela Merkel und Gerhard Schröder eine Einigung gefunden hatten.

An diesem einzigen nächtlichen Telefonat hing die Zustimmung der Opposition zum ganzen Reformpaket. Allerdings sind weder Merkel noch Schröder vom Fach. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass ihr Spitzen-Deal nunmehr allen Zahnweh bereitet, die ihn zum 1. 1. 2005 umsetzen müssen. Dann sollen Kronen, Brücken und Gebisse aus der gesetzlichen Versicherung ausgegliedert und von jedem zu einem festen Satz extra versichert werden – entweder bei der Krankenkasse oder bei einer privaten Versicherung.

Die Krankenkassen halten den Verwaltungsaufwand, den der Einzug einer Pauschalprämie speziell von Rentnern und Arbeitslosen bedeutet, jedoch für kaum verkraftbar. Ihre Hoffnung ist, dass die SPD sich traut, mit der Union den Zahnersatz noch einmal zu überarbeiten. Denn: Eine getreue Umsetzung des Schröder-Merkel-Plans wäre „für uns der Worst Case“, erklärt AOK-Sprecher Rainer Eikel.

Für die rund 26 Millionen Arbeitnehmer verwalten die Arbeitgeber die Zahnersatzversicherung. Der Zahnersatz der zukünftigen etwa 3 Millionen Bezieher von „Alg II“ wird pauschal von der Bundesagentur für Arbeit an die Kassen bezahlt. Aber bei 18 Millionen Rentnern und rund 2 Millionen Arbeitslosengeld-Empfängern „müssen die Kassen den nicht gezahlten Beiträgen hinterherlaufen – während die Leute munter weiter zum Zahnarzt gehen“, sagt Eikel.

Die Kassen beziffern den Mehraufwand mit bis zu 1,60 Euro pro Maul und Monat. Auf Grundlage der Zahlen von 2002 würde der Zahnersatz selbst 6,60 Euro kosten – macht bis zu 8,20 Euro. Allerdings findet nicht nur Ruland, sondern auch mancher Ministerialer, dass Verwaltungskosten in Höhe von einem Viertel des Gesamtbetrags recht hoch angesetzt sind. Dagegen halten die Kassen, dass selbst solche Kosten keine Gewähr dafür sind, dass es zu Beginn des Jahres nicht zu Computerpannen und dem begleitenden Aufruhr kommt.

Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat, bevor sie in den Urlaub flog, noch eine Zielmarke in die Welt gesetzt: Sie fände „unter 6 Euro sehr begrüßenswert“, ließ sie wissen. Wenn sie nächste Woche aus den Ferien zurückkommt, wird sie aber noch einmal mit der Union verhandeln: Ein prozentualer Beitrag, analog zur herkömmlichen Versicherung, statt der Pauschale ist ihr Ziel. Diese Lösung hält sie für sozial gerechter – und sie wäre von den Institutionen am leichtesten zu bewältigen.

Doch bislang deutet wenig darauf hin, dass die Union vom Merkel-Kurs abweichen will. Denn für die CDU ist die Zahnersatz-Pauschale in zweierlei Hinsicht wegbereitend: Erstens sollen sich die Menschen an Pauschalprämien für Gesundheitsleistungen gewöhnen. Schließlich will Merkel 2006 mit der Kopfpauschale die Bundestagswahl gewinnen. Zweitens sollen die Menschen nach dem Willen der Union lernen, dass Zähne überhaupt Privatsache seien – und das tun sie mit einem Festbetrag nach dem Vorbild der Privatversicherungen eher als mit einem Prozentbeitrag nach dem Modell der gesetzlichen Kasse.

Die Privatversicherer jedenfalls hoffen ab 2005 auf neue Kunden. Doch fällt es ihnen schwer, attraktive Angebote zu schnitzen. Denn Zahnersatz ist ein mieses Geschäft – der Schadensfall tritt sozusagen immer ein. Und die Zahnärzte tun alles, um die Kosten so hoch wie möglich zu treiben. Die Privaten müssen für die gleiche Leistung einen 2,3fach höheren Satz zahlen als die Gesetzlichen.

Die Allianz etwa kalkuliert, dass ein 20-jähriger Mensch in seinem Leben noch 25.000 Euro an Zahnersatzkosten verursachen wird. Sie ist seit dieser Woche mit einem Tarif auf dem Markt, der 80 Prozent davon abdeckt. Die Gesetzliche dagegen kommt nur für 50 Prozent der Leistungen auf. Doch für die Privatversorgung soll etwa ein 30-jähriger Mann 22 Euro im Monat zahlen, die 30-jährige Frau sogar 30 Euro. Frauen, begründet die Allianz-Sprecherin, „nehmen mehr Leistungen in Anspruch – aus kosmetischen Gründen“. Die Tarife steigen bis 65, dann wird keiner mehr genommen. Auch kaputte Gebisse wollen die Privaten gar nicht erst haben.

Bei solchen Preisen werden viele Versicherte vermutlich bei dem 50-Prozent-Angebot ihrer gesetzlichen Kasse bleiben – ob die nun 6 oder 8 Euro nimmt.

ULRIKE WINKELMANN