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Archiv-Artikel

Vom Banker zum Klinkenputzer

Die deutsche Bankenlandschaft ist im Umbruch: In Zukunft sollen die Profite der privaten Kreditinstitute wieder explodieren. Vorbild ist das britische Oligopol

Der Abschied vom kleinen Sparer erwies sich für viele Banken als Strategiefehler

HAMBURG taz ■ Selbst die Industriegewerkschaft Metall macht sich Sorgen um Deutschlands Banken. Die Arbeiterorganisation fürchtet die neuen Bedingungen für Kredite: „Basel II“ sei ein „Turbo für Bankprofite“. Die Geldgiganten kontern: „Wir haben einen Turbo dringend nötig.“ Mit neuen Strategien will die private Bankwirtschaft in Zukunft wieder profitabler werden.

Neidvoll blickt die hiesige Finanzindustrie bisher nach Großbritannien. Dort haben sich eine Hand voll Institute den Markt aufgeteilt und kommen dank dieses Oligopols und auf Kosten ihrer Kunden auf satte Eigenkapitalrenditen von 30 Prozent. Dagegen sind die 2.311 Kreditinstitute, die sich hierzulande tummeln, froh, wenn sie 10 Prozent erwirtschaften.

Schon in den 90er-Jahren hatten deutsche Bankiers von britischen Profitdimensionen geträumt, aber auch mit diversen Strategiewechseln verfehlten sie ihr Ziel weit. Der Run auf Aktien aller Art, bei dem sie dem Herdentrieb folgten, endete mit dem Börsenfall im März 2000 in einem bilanzgefährdenden Desaster. Der Abschied vom klassischen Kreditgeschäft, das auch zukünftig die Masse der Gewinne abwerfen wird, hatte sich ebenso als ein Irrweg entpuppt wie der Internetrausch, in dem Milliarden verschwanden. Und auch der Abschied vom Geschäft mit kleinen Sparern und gewerblichen Mittelständlern erwies sich für die meisten Institute als ein kostspieliger Strategiefehler.

In Zukunft soll alles besser werden. Dazu sollen massiv Kosten gesenkt werden. Die Banken setzen deshalb auf die Konsolidierung ihrer Branche, also auf Fusionen, Aufkäufe und Übernahmen. Aktuell gilt die schwächelnde Commerzbank als Kandidat für eine feindliche Attacke. Das britische Vorbild vor Augen, hoffen die Nadelstreifen-Strategen auf einen verengten Markt, in dem dann höhere Gewinnmargen durchzusetzen sind.

Uwe Foullong, Bankenexperte der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, warnt jedoch vor volkswirtschaftlichen Schäden von Großfusionen. „Die Banken sollten die Weite des europäischen Binnenmarktes ins Auge fassen.“

Zugleich will die Kreditindustrie immer mehr Ballast abwerfen, indem sie ganze Konzernteile outsourct. Ziel ist die Zweiteilung der Branche. An der Verkaufsfront stehen reine Vertriebsbanken, und dahinter verbuchen Abwicklungsfabriken das Geschäft. Ver.di befürchtet für zukünftige Bankangestellte ein „Image von Klinkenputzern“.

Dieses mögliche Negativimage dürfte dann allerdings immer weniger Werktätigen anhaften, denn der dritte Strategiepfeiler heißt: radikaler Personalabbau. Die Ankündigung der Dresdner Bank, zusätzlich zu den 11.000 schon angekündigten weitere 4.700 Jobs zu vernichten, ist nur die Spitze des Eisberges. Ver.di-Experte Foullong hält auch dieses für einen Fehler: „Die Banken produzieren heute den Fachkräftemangel von morgen.“ In diesem Punkt sorgen sich angesichts der wachsenden Nachfrage nach Finanzdienstleistungen, beispielsweise für die private Altersvorsorge, inzwischen auch die Verbraucherschutzverbände.

Der vierte Angriffspunkt in der Bankenoffensive ist das dreigliedrige Banksystem. Private Banken, genossenschaftliche Volksbanken und die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sichern hierzulande (noch) einen relativ scharfen Wettbewerb. Die Privaten schielen vor allem auf die lukrativen Sparkassen in Metropolen wie Dresden, Frankfurt am Main oder Hamburg.

Dass die Banken mit dieser Strategie kurzfristig erfolgreich sein können, zeigen die guten Halbjahreszahlen, die so gar nicht zum Jammern der Branche passen wollen. Selbst Allianz und Dresdner Bank schöpfen Mut, dass der einzige große deutsche Allfinanzkonzern sich schon bald richtig rechnen wird. HERMANNUS PFEIFFER