: Nachkriegszeit für die ganze Familie
Ach ja, damals: Trotz leichter Verklärung der Historie ist „Der zehnte Sommer“ ein witziger und poetischer Film - für Kinder und Eltern gleichermaßen
er Krieg ist vorüber in Külleskap. In der niederrheinischen Stadt tritt das Wirtschaftswunder trotzdem noch behäbig auf der Stelle, ist das gemeinsame Sonntagsgebet Pflicht, herrscht eine beängstigend sittsame Stille. Und doch bietet die Kleinstadt Raum für lebbare Träume - zumindest für Kalli und seine Freunde, denn die Sommerferien haben gerade begonnen. Fünf Wochen aus ihrem Leben erzählt „Der zehnte Sommer“, ein Film für die ganze Familie. Ab Donnerstag läuft er in der Bremer Schauburg.
Wunderbar warm steigt der Film ein: „König“ Kalli (Martin Stührk) stapft per Roller durch den Ort, auf dem Kopf eine goldene Pappkrone, auf den Schultern ein roter Umhang. Kalli hat Geburtstag, ist neun geworden. Und muss in seinen Sommerferien gleich drei Probleme auf einmal lösen: Wie versteckt er seinen kleinen Privatzoo mit dem Affen Kappu vor den Erwachsenen? Warum nur ist Papa so oft im Haus nebenan, bei Frau Hilfers und ihren Töchtern, die ständig Männerbesuch bekommen? Und wieso bitte ist die kleine Franzi so verdammt lieb zu ihm?
Ach, das waren noch Zeiten, damals, Anfang der Sechziger. Keine Play-Station, kein Fastfood, dafür Baumhäuser, Backpfeifen, viel frische Luft. Der Film verklärt bisweilen wehmütig die Historie, schwelgt genüsslich in Landschaftsbildern.
„Der zehnte Sommer“ könnte nun in Kitsch abgleiten, tut es aber nicht. An den meisten Stellen nimmt der Film die Zuschauer ernst. Großen Anteil daran hat Dieter Bongartz, Baujahr 1951, der seinen eigenen Roman „Der zehnte Sommer des Kalli Spielplatz“ zum Drehbuch umschrieb: Die Jüngeren entführt er in eine behütete Welt zwischen Phantasie und Realität, den Älteren führt er das Deutschland ihrer Jugend vor, mit Schwarz-Weiß-Fernsehen und klassischer Geschlechter-Rollenverteilung.
Intelligent, witzig und poetisch nähert sich der Film den Geheimnissen beider Generationen, spielt sie geschickt gegeneinander aus. Am Ende des Sommers sind alle ein bisschen klüger geworden.
Nicht nur die aufwändige und detailgenaue Ausstattung zeichnet den Streifen aus, der als einziger deutscher Beitrag auf dem Kinderfestival der diesjährigen Berlinale zu sehen war. Kai Wiesinger überzeugt als zwiespältiger Papa, der nach dem Sonntagsgebet in die Kneipe Skat spielen geht und Nutten besucht, Frau und Kind aber trotzdem liebt. „Der zehnte Sommer“ von Regisseur Jörg Grünler setzt die Messlatte für den deutschen Kinderfilm höher. Jan Grundmann
Läuft in Schauburg und Cinemaxx