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Archiv-Artikel

Unvorteilhafte Fotos am Lenkrad

Kein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht: Oberverwaltungsgericht lässt ungeliebte Identitätskarten für TaxifahrerInnen zu

Die mündliche Verhandlung verlief verheißungsvoll, doch das Urteil war dennoch niederschmetternd für die Genossenschaft „das taxi“: Die Taxi-FahrerInnen-Ausweise, durch den sich jedeR am Droschkenlenkrad detailliert persönlich outen muss, ist zulässig. Das hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz entschieden und keine Revision zugelassen.

In dem Musterprozess hatten „das taxi“-MitarbeiterInnen die Kennkarte mit Foto, Namen und Anschrift, welche bei jeder Fahrt gut sichtbar am Amaturenbrett oder Rückspiegel baumeln muss, als „Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht“ zu tadeln versucht.

Viele, die ihren Unterhalt am Lenkrad verdienen, in Festanstellung oder nur als gelegentlichen Job, können mit Anekdoten aufwarten – auch mit solchen von handfesten Anmachen und Konfrontationen. „Der Typ guckte auf das Foto, musterte mich von oben bis unten, sprach mich dann mit Vornamen an und meinte, dass das Foto nicht sehr vorteilhaft und ich tatsächlich viel erotischer sei“, erzählt etwa Fahrerin Bettina Klaus*. „Dann sagte er: ‚Ist ‘ne nette Gegend, wo du wohnst. Wenn ich wieder in Hamburg bin, besuch‘ ich dich mal.‘“ Ihr Kollege Karsten Kraus* schöpfte zunächst auch keinen Verdacht, als der Fahrgast fragte, ob seine Schicht gerade begonnen hätte – nachdem er Kraus‘ Wohnadresse genau inspiziert hatte. „Doch dann ist während der Nachtschicht bei mir eingebrochen worden“, berichtet der Fahrer bitter. „Dass es einen Zusammenhang gibt, kann ich natürlich nicht belegen, aber es liegt doch nahe.“

Die für Taxikonzessionen zuständige Baubehörde hatte die Identitätskarten 1999 mit der Begründung eingeführt, Vergehen seitens der FahrerInnen besser verfolgen zu wollen. Oft seien die „Schwarzen Schafe“ nicht zu ermitteln gewesen, wenn es Beschwerden oder sogar Straftaten gegeben habe. Dabei wurde mit plakativen Szenarien hantiert: In Köln habe es vor Einführung der Karte eine Serie von Vergewaltigungen durch Taxifahrer gegeben, so Behördenvertreter, danach seien keine sexuellen Übergriffe mehr bekannt geworden. Doch selbst in Polizeikreisen geht niemand davon aus, dass, sollte etwa ein Fahrer eine Frau vergewaltigen wollen, ihn das Schild daran hindert.

Im Gegenteil: Der Arbeitsplatz am Taxi-Lenkrad berge wegen der Nähe zwischen Fahrer und Gast ohnehin ein hohes Gefahrenpotenzial, so die „das taxi“-Argumentation, daher sei ja der Fahrersitz im Sinne subjektiven Sicherheitsempfindens erhöht. Nun sei durch das Pflichtschild ein Stück dieses psychologischen Vorteils wieder verloren gegangen. „Die Behörde hat Zahlen vorgelegt, dass es, bei Einführung 1999, in dem Jahr 204 Beschwerden gegeben hat“, sagt Anwalt Andreas Beuth. „Im Vergleich zu 15 Millionen Touren pro Jahr eine verschwindend geringe Zahl, die einen solchen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht rechtfertigt.“ Kai von Appen

* (Namen geändert)