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Archiv-Artikel

■ Zu den Pro- und Contra-Beiträgenvon Nick Reimer und Wolfgang Birthler Keine Frage des Marktes

betr.: „Mehr Windkraft für Deutschland?“, taz vom 27. 8. 03

Windkraft? – nein danke! Wenn ich abends aus dem Fenster sehe, weide ich mich an dem geschmackvollen Anblick farblich völlig unpassender und in unregelmäßigen Abständen irritierend flackernder Leuchtreklame an grauen Betonwänden – ein einzelnes rotes Warnblinklicht eines Windrades wäre eine absolut katastrophale Belastung für meine Psyche.

Am Wochenende fahre ich aufs nahe gelegene Land und genieße den naturnahen Anblick eines quadratkilometer großen Loches, in dem – tief unten – ein Strom fressendes Stahlungeheuer sich allerliebst in die Erde wühlt, während die Bewohner des nächsten Dorfes nicht wissen, wie sie in einer Neubausiedlung noch einmal ihr denkmalgeschütztes Bauernhaus wiederfinden sollen. Noch in der Erinnerung an diesen erhebenden Anblick schwelgend, fahre ich über die Autobahn und betrachte verzückt einen kolossalen Kühlturm nebst zugehörigem Rest vom Kraftwerkkomplex, dessen Wolke ich von meinem Balkon aus sehen kann, obwohl zwischen mir und dem Kraftwerk etliche Kilometer liegen. In liebevollen Gedanken an die Wolkenfabrik schalte ich den Wetterbericht an, der von tosenden Stürmen berichtet, die im ganzen Land Windräder wie Riesenspargel umgeknickt haben – einer solchen Gefahr kann und will ich mich nicht aussetzen.

MEIKE HENERS, Maschinenbaustudentin, Roetgen

Lieber Herr Reimer, aus ökonomischer Sicht sind Subventionen keineswegs ausschließlich „geldwerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln“. Vielmehr schließen sie natürlich auch (in diesem Fall: erzwungene) Transferzahlungen von Privaten (Stromverbrauchern) an Dritte (Windkraftbetreiber) ein. Inhaltlich ist der Tatbestand derselbe: ob der Staat aus Steuergeldern Transferzahlungen veranlasst oder ob er per Gesetz (hier EEG) anordnet, dass die Transferzahlungen von Dritten geleistet werden müssen. Es ist doch wirklich müßig, sich hier mit semantischen Fragen abzugeben. Es ist ja gerade Sinn und Zweck dieses „Förder“-Instruments, über die derzeitigen Marktpreise hinaus Transferzahlungen für Technologien zu generieren, die unter derzeitigen Marktbedingungen nicht konkurrenzfähig sind.

[…] Ich wünschte mir, dass die Windkraft wirklich unter deutschen Standortbedingungen wettbewerbsfähig wäre. Allein, die Verhältnisse sind (bisher) nicht so. Sonst bräuchten wir auch kein EEG. Das zu leugnen ist wenig hilfreich in der Debatte, wie eine an der Nachhaltigkeit orientierte Energiebereitstellung aussehen könnte und zu welchen Kosten wir uns das leisten wollen. Angesichts der bisher geringen Nachfrage nach „grünen“ Stromangeboten scheint die Akzeptanz, dafür erhöhte Kosten in Kauf zu nehmen, bei freier Wahl eher gering zu sein. […]

ROLF SEIFRIED, Frankfurt/Main

Die maßlose Förderung der Windenergie hat andere regenerative Energiearten in den Hintergrund gedrängt, Energiearten, die ganzjährig und mit hoher Zuverlässigkeit zur Verfügung stehen und die perspektivisch tatsächlich zur Substitution von Großkraftwerken führen können. Ich rede von der Biomasse oder, besser, vom Biogas. Mit unseren Abwässern und den Rückständen aus der Viehzucht fallen Unmengen von Klärgas an, auch wenn diese nicht durch Kläranlagen gereinigt werden. […] Die Nutzung dieses Potenzials könnte dauerhaft zu einer Klimaverbesserung führen, zum einen durch den Abbau von Methan und zum anderen durch die Verringerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe. Und noch einen Vorteil hat diese Technik: Sie funktioniert ganzjährig und bei jedem Wetter. […] MANFRED LEICKEL, Magdeburg

Wenn Windräder 20 Jahre brauchen, um den Srom zu erzeugen, der für die Herstellung gebraucht wurde, dann frage ich mich, wie lange Kernkraftwerke brauchen. Von der Entsorgung gar nicht erst zu reden. […] Dann ist der Autor noch für Solarstrom. Das freut mich zwar, aber die Solaranlagen brauchen nun wirklich lange, um den Strom zu erzeugen, der für ihre Herstellung notwendig war. Sie benötigen auch eine viel höhere Vergütung des abgegebenen Stroms, um rentabel zu sein. Da ist es geradezu lächerlich, die etwas höhere Vergütung für den Windstrom anzuprangern. FRIEDRICH CLEMENS, Freigericht

Natürlich kann man ein Gegner der Windenergie sein, damit habe ich kein Problem. Aber wenn man gegen Windturbinen zu Felde zieht, sollte man doch bei den Tatsachen bleiben.

[…] Wie andere wiederholt Birthler das immer gleiche Argument, dass sich Windenergie (natürlich im Vergleich zur konventionellen Stromerzeugung) „nicht rechnet“. Dabei wird aber dann verschwiegen, dass es sich um eine Energiequelle mit ganz anderer Qualität handelt, die elektrische Energie ohne Ressourcenverbrauch, Schadstoffbelastung und CO2-Emissionen produziert. Und ob man sich das leisten will, ist selbstverständlich keine Frage des Marktes, sondern eine politische Entscheidung über die Gestaltung der Gegenwart und besonders unserer Zukunft. Immerhin ist Windenergie außer Wasserkraft zurzeit die einzige nachhaltige Energiequelle, die annähernd mit den derzeitigen Kosten der herkömmlichen Stromerzeugung konkurrieren kann.

Als Höhepunkt des Beitrags kritisiert Birthler, dass die Förderung der Windenergie die Entwicklung der Solarstromnutzung blockieren würde. Nach dem EEG wird die Kilowattstunde von Strom aus PV-Anlagen nach dem EEG derzeit mit 0,46 Euro vergütet, also etwa dem Fünffachen des Windenergie-Einspeisepreises. Leider reicht auch dieser Betrag heute nicht aus, eine Solarstromanlage wirtschaftlich zu betreiben (was uns persönlich nicht davon abhält, PV-Anlagen auf unseren Bürogebäuden zu installieren). Photovoltaik ist heute leider immer noch eine Zukunftstechnik, die noch Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte, für eine wirtschaftlich sinnvolle Etablierung im Strommarkt benötigen wird.

HANS-PETER WALDL, Oldenburg

Die Reaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.