Ein Eurokorps macht noch keine sichere Wahl

Das Eurokorps führt ab jetzt die Isaf-Truppe in Afghanistan. Entscheidend dort ist aber die Entwaffnung der Warlords

Auch künftig wird die Nato das Kommando über die Afghanistan-Schutztruppe Isaf mit Soldaten aus rund 30 Nationen haben. Die Führung der Truppe mit 6.500 Soldaten geht aber nächste Woche von Kanada auf das Eurokorps über. Diese europäische Eingreiftruppe mit Hauptquartier in Straßburg zählt 60.000 Soldaten aus fünf Nationen, darunter Deutschland und Frankreich. Die Soldaten sind in ihren Heimatländern stationiert und werden nur im Einsatzfall zusammengezogen. 350 Soldaten des Korps, darunter etwa 90 Deutsche, sollen jetzt die Isaf-Truppe von Kabul aus führen.

Nach Bosnien (SFOR) und Kosovo (KFOR) ist Afghanistan für das Eurokorps der dritte Einsatz. Lässt sich Isaf schon für die Nato als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme interpretieren, so ist er für das Eurokorps eine weitere Übung in Interventionsfähigkeit. Während Europas Sicherheitspolitiker und Militärs hierbei Erfahrungen sammeln, ist es für die Afghanen jedoch irrelevant, ob Isaf auf das Nato-Kommando von kanadischen oder europäischen Offizieren hört.

Die Afghanen haben immer wieder Erwartungen an die Schutztruppe geäußert, die deren Truppenstellernationen nie bereit waren zu erfüllen: Die Aufstockung der Truppe auf etwa 30.000 Soldaten und die Ausdehnung auf das ganze Land sowie die Entwaffnung der Warlords. Stattdessen war die Weltgemeinschaft, allen voran die Nato, nur zu halbherzigen Insellösungen in Form so genannter bewaffneter „regionaler Wiederaufbauteams“ (PRTs) bereit. Diese gaukeln eher Sicherheit vor als dass sie wirklich etwas an der Lage, geschweige denn an den Strukturen ändern würden.

Für die Afghanen war insbesondere der Istanbuler Nato-Gipfel Ende Juni enttäuschend. Denn von den zur Sicherung der Wahlen im Oktober zugesagten weiteren 3.500 Soldaten werden bis zu 2.000 gar nicht in Afghanistan stationiert, sondern nur als schnelle Eingreiftruppe im Ausland bereit gehalten.

Derweil spitzt sich in Kabul der Machtkampf zu. Die bei der Bonner Petersberg-Konferenz 2001 gebildete Koalition ist zerbrochen. Übergangspräsident Hamid Karsai tritt nun am 9. Oktober bei den Wahlen gegen die mächtige Tadschiken-Fraktion aus dem Pandschir-Tal an, die von dem bisherigen Erziehungs- und Exinnenminister Yunus Kanuni geführt wird. Der wird von Verteidigungsminister Mohammad Fahim unterstützt. Letzterer gilt als mächtigster Warlord Afghanistans, hat die Entwaffnung seiner Milizen blockiert und zugleich Schlüsselposten in der neuen Armee mit seinen Leuten besetzt. Seine Macht verdankt er den USA, die ihn zur Hauptstütze im Kampf gegen die Taliban gemacht haben. Ursprünglich wollte Karsai mit ihm als Vize kandidieren. Damit hätte er die Unterstützung der Pandschir-Fraktion bekommen, sich aber auch diskreditiert. Inzwischen sind beide zerstritten. Karsai gilt zwar als beliebtester Politiker, hat aber keine Truppen außer den US- und Isaf-Soldaten im Land.

Die Zeit um die Wahlen am 9. Oktober dürfte unruhig werden. Denn eine Wahl ohne Entwaffnung der Milizen ist nicht frei und fair. Fahims Fraktion hat alle Mittel, um für Unruhe zu sorgen und sich so Macht zu sichern. Daran ändert auch ein Eurokorps mit 350 Mann nichts. Vielmehr müssten die Wahlen bis zur Entwaffnung der Warlords verschoben werden. SVEN HANSEN