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Archiv-Artikel

Spaniens hitziger Hitzestreit

In Spanien forderte die Sommerhitze nur 105 Tote, behauptet die Regierung. Sie lügt

MADRID taz ■ Die europaweite Hitzewelle ging fast spurlos an Spanien vorbei – so zumindest will es die konservative Regierung des Landes glauben machen. Nur ganze 105 Menschen haben demnach diesen Sommer das Leben durch die ungewöhnlich hohen Temperaturen verloren. Diese Zahlen stehen ganz offensichtlich im Widerspruch zu denen aus den Nachbarländern Frankreich, wo über 11.000 Menschen in Folge der hohen Temperaturen starben, und Portugal, wo bei einem Viertel der Einwohnerzahl Spaniens 1.316 Menschen das gleiche Schicksal ereilte.

Das allerdings stört die Sprecherin des Madrider Gesundheitsministeriums, Ana Sánchez, nicht: „Die spanische Bevölkerung ist besser im Umgang mit der Hitze geübt als die Franzosen. Hier wissen selbst die Analphabeten, was sie machen müssen. Seit Jahren geben wir der Bevölkerung schon in der Schule Ratschläge“, verteidigt Sánchez ihre Zahlen.

Gezählt hat das Ministerium nur diejenigen, die direkt an einem Hitzschlag starben. Anders als in Frankreich und Portugal, wo einfach die Gesamtsterberate im Vergleich zum Vorjahr gemessen und der Unterschied als hitzebedingt erklärt wird.

Wer so rechnet, stößt auch in Spanien auf eine ganz andere Wahrheit: So beauftragte die spanische Tageszeitung El País ihre Regionalkorrespondenten mit einer Recherche auf den Meldeämtern. In 40 großen Städten des Landes gab es demnach 34 Prozent mehr Sterbefälle als im Vorjahr. In absoluten Zahlen sind das 1.092. Hochgerechnet auf 40 Millionen Spanier dürften damit die hitzebedingten Todesfälle bei 6.000 liegen. Am stärksten betroffen sind Küstenstädte wie Barcelona, wo die Sterblichkeit um 58 Prozent stieg, oder Huelva mit 136,5 Prozent.

Trotz einer Aufforderung der Opposition, endlich die wahren Zahlen zu veröffentlichen, schweigt sich das Gesundheitsministerium aus. Zwar ging bereits vor zwei Wochen ein Auftrag an ein staatliches Institut, die Auswirkungen der Hitzewelle zu untersuchen, doch kann keiner sagen, auf welcher Grundlage die Wissenschaftler arbeiten und wann ein Ergebnis vorliegen wird. REINER WANDLER