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Archiv-Artikel

„Es gibt kein Chaos“

Klaus Heller, einer der Väter der neuen Rechtschreibung, wirftden Verlagen vor, einen demokratischen Prozess auszuhebeln

taz: Was halten Sie von dem Beschluss von Springer und Spiegel, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren?

Klaus Heller: Ich finde es zutiefst bedauerlich und sehr verwunderlich, dass zwei Verlage, und da wohl nur einige wenige Personen, aufgrund ihrer publizistischen Macht versuchen, einen demokratischen Prozess auszuhebeln, der über Jahrzehnte in vielen Ländern durch viele wissenschaftliche, politische und andere gesellschaftliche Gremien gestaltet worden ist.

Hat sich die Reform nun als Fehlentwicklung erwiesen?

Die neue Rechtschreibung stellt einen deutlichen Fortschritt gegenüber der alten dar. Schreibenlernen wird effektiver. Außerdem wird niemand persönlich gehindert, die alte Rechtschreibung weiter zu gebrauchen.

Die Verlage haben ja zunächst nur für sich gesprochen. Hat das weitere Auswirkungen?

Ohne Frage soll Druck ausgeübt werden, die beiden Verlage haben den Schulterschluss gesucht mit der FAZ und denen, die seit längerem das Chaos beschwören, das in Wirklichkeit überhaupt nicht existiert, das aber jetzt durch die Praxis der beiden Verlage erzeugt wird.

Ist das, was bisher in den Medien praktiziert wird, überhaupt die korrekte neue Rechtschreibung?

Das ist im Allgemeinen schon die neue Rechtschreibung. In einigen Zeitungen gibt es gewisse Ausnahmen: Hausorthografien, die von außen kaum zu bemerken sind. Das entspricht einer Tradition, die aus der Zeit stammt, als es noch gar keine allgemeinen Regeln gab. Zeitungen sind ja nicht verpflichtet, dem Staat zu folgen.

und der Staat nicht, den Zeitungen zu folgen …

Auch das kann nicht sein.

Wie geht es weiter?

Eine Prognose möchte ich nicht abgeben. Der Neuregelungsvorschlag ist auf wissenschaftlicher Basis erarbeitet worden und die Zwischenstaatliche Kommission ist vor allem für inhaltliche Fragen verantwortlich. Was sich jetzt abspielt, ist – wieder einmal – ein politischer Machtkampf.

INTERVIEW: MATTHIAS FINK