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Archiv-Artikel

Darf Wasser privatisiert werden? Ja.

Ja

Wer Entwicklungsländern die Option absprechen will, ihr Können und die Finanzkraft privater Firmen bei der Wasserversorgung einzusetzen, beschneidet die Entwicklungschancen der Armen.

In den Entwicklungsländern herrschen leider katastrophale Zustände. Jeder sechste Erdbewohner, das sind insgesamt weit über eine Milliarde Menschen, hat kein sauberes Trinkwasser. Vor allem die Armen müssen sich mit schmutzigem und verseuchtem Wasser begnügen, das in aller Regel Frauen über weite Entfernungen heranbringen müssen. Die kommunalen Anlagen, zu weit über 90 Prozent in öffentlicher Trägerschaft, funktionieren entweder gar nicht oder nur in den Vierteln der Besserverdienenden. Gründe sind Korruption, schlechte Bezahlung der öffentlichen Bediensteten, Missbrauch der Wasserversorgung für politische Zwecke sowie Misswirtschaft.

In dieser Situation ist es häufig sinnvoll, private Betreiber einzuschalten und deren Fähigkeiten und Finanzkraft zu nutzen. Das Spektrum privater Betreiber reicht von lokalen Selbsthilfegruppen über einheimische Firmen bis zu internationalen Konzernen. Den Entwicklungsländern diese Möglichkeit vorzuenthalten wäre genauso falsch wie sie ihnen vorzuschreiben.

Ist Privatisierung ein Allheilmittel zur besseren Wasserversorgung der Armen? Sicherlich nicht, aber in vielen Fällen ein gangbarer Weg. Man muss bei jedem Projekt prüfen, ob die private Lösung einer öffentlichen aus Sicht der Armen überlegen ist.

Sollte man die unersetzbare Ressource Wasser privaten Interessen unterordnen? Natürlich nicht. Das Eigentum an den Wasservorkommen und die Zuteilung von Wasserrechten bleibt beim Staat. Das gilt bei allen Privatisierungsmodellen. Deshalb müssen aber nicht die Pumpen und Aufbereitungsanlagen von Beamten bedient werden. Das können private Firmen übernehmen. Der Staat sollte alle Betreiber, ob privat oder öffentlich, überwachen und kontrollieren.

Bei den meisten Privatisierungsmodellen bleiben der Staat oder die Kommune übrigens Eigentümer der technischen Anlagen. Der private Betreiber pachtet die Anlagen auf Zeit, so wie auch ein Wirt eine Kneipe pachtet. Die öffentliche Hand behält auf diese Weise die Kontrolle.

Erhalten internationale Konzerne zu viel Macht, wenn sie das Monopol der Wasserversorgung in die Hand bekommen? Man muss wissen, dass Wasserversorgung immer ein Monopol ist, weil man keine konkurrierenden Leitungen bauen kann. Aus Sicht der Bürger ist es oftmals eine Frage der Abwägung, ob sie es lieber mit einem profitorientierten Konzern oder einer maroden Staatsbürokratie zu tun haben. Ich habe weltweit viele schlechte öffentliche Versorgungssysteme gesehen, aber auch einige sehr gute. Auch bei privat betriebenen Anlagen, die insgesamt bisher sehr selten sind, gibt es Licht und Schatten.

Konzerne bringen als Plus eine große Finanzkraft und globales Know-how mit. Leider sind Konzerne risikoscheu und haben sich deshalb in jüngster Vergangenheit aus den Entwicklungsländern eher zurückgezogen, weil sie sich angesichts der Krise auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren. Ich setze deshalb weniger auf Konzerne als auf kleine einheimische Firmen; die zum Teil nur einzelne Teile des Betriebs übernehmen.

Bringt Privatisierung Preissteigerungen, die sich die Armen nicht leisten können? Eine gut gemachte Privatisierung senkt die Kosten und damit tendenziell auch die Gebühren. Oft geht die Privatisierung allerdings mit der Entscheidung des Staates einher, einen höheren Teil der Kosten auf die Verbraucher umzulegen. Daraus folgen höhere Preise, die aber nicht ursächlich der Privatisierung zuzurechnen sind. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass die Menschen gern einen angemessenen Preis für das Wasser bezahlen, wenn die Versorgung sicher und gut ist. Umgekehrt zahlen die Armen bis zu zwanzigfach überhöhte Preise, wenn die Anlagen nicht funktionieren und sie auf ambulante Wasserverkäufer angewiesen sind. Sind die Gebühren zu niedrig, fehlt das Geld für die Reparatur und Wartung der Anlagen sowie für die dringend benötigte Ausweitung der Netze. Das System verkommt immer mehr. Deshalb sind kostendeckende Gebühren sinnvoll, egal ob der Betreiber öffentlich oder privat ist.