Rote Nervenschwäche erreicht die Grünen

Vize-Regierungschef Vesper kritisiert die Bundesregierung. SPD-Kandidaten distanzieren sich von ihrer Partei

DÜSSELDORF taz ■ Vertreter der rot-grünen Regierungskoalition auf Landesebene reagieren zunehmend verunsichert auf die verstärkten Proteste gegen den Hartz-Sozialabbau der Bundesregierung. Der stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsident Michael Vesper forderte die Bundesregierung auf, die Ziele ihres Reformvorhabens besser zu erläutern: „Die Bundesregierung muss es endlich schaffen, den Gewinn, der durch diese Reformen entsteht, deutlich zu machen“, sagte Vesper am Samstag. „Es darf nicht nur über Anlaufprobleme geredet werden.“

Auch SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek versucht, ein mögliches Wahldebakel bei der Kommunalwahl am 26. September mit dem Verweis auf die Bundesebene schönzureden: „Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist grottenschlecht“, so Groschek zur Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sein Landesverband habe bereits auf die mangelhafte Informationspolitik hingewiesen, sei aber in Berlin auf taube Ohren gestoßen, klagt der unter massivem Druck stehende General, der in NRW „jeden Straßenzug durchkämmen“ und „um jede Eckkneipe kämpfen“ lassen will.

Johannes Remmel, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Düsseldorfer Landtag, warnte die Sozialdemokraten dagegen vor einem Wahlkampf gegen die Bundesebene. „Damit sind schon andere gescheitert“, sagte er unter Verweis auf den niedersächsischen Ex-Ministerpräsidenten und jetzigen SPD-Popbeauftragten Sigmar Gabriel Springers Welt am Sonntag. Als gemeinsame Linie scheinen die Grünen die Mitverantwortung von CDU/CSU für den Sozialkahlschlag stärker betonen zu wollen: Wie der grüne Bundesparteivorsitzende Reinhard Bütikofer, der die Union als „äußerst scheinheilig“ bezeichnete, wertete auch Vesper die Hartz-Nachbesserungsforderungen der Christdemokraten als Beweis der „Reformunfähigkeit“ der Opposition. Die CDU habe im Bundesrat sogar weitere Verschärfungen durchgesetzt.

Bei der SPD angekommen ist die Strategie verschärfter Attacken auf die Christdemokraten aber noch nicht. Stattdessen distanzieren sich Kommunalwahl-Spitzenkandidaten wie Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann oder Dortmunds Verwaltungschef Gerhard Langemeyer von ihrer Partei: Auf Dieckmanns Homepage fehlt jeder prominente Hinweis auf die SPD, und Langemeyer wirbt lieber mit seinem Namenszug in Form eines Ortsschilds – in FDP-gelb. ANDREAS WYPUTTA