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Archiv-Artikel

Gutachter nehmen die Variante „Filmriss“ auseinander

Für den angeklagten Mehrfachtäter geht es um alles. Doch für ein gewaltfreies Leben in Freiheit sehen Gutachter wenig Chancen

Von ede

bremen taz ■ Am dritten Verhandlungstag gegen Peter Günther W. gestern im Bremer Landgericht stellten die psychiatrischen Gutachter keine günstige Prognose. Sie räumten dem 47-jährigen Mann, der unter Mordanklage steht, weil er die Großmutter seiner inzwischen geschiedenen Frau 1985 getötet haben soll, wenig Aussicht auf eine gewaltfreie Zukunft ein: Seine Aggressivität, sein geringes Einfühlungsvermögen in die eigenen Gefühle und die anderer, sowie seine durch eine brutale Kindheit gestörte Persönlichkeit ließen dazu wenig Chancen.

Das Gericht muss auf Antrag der Staatsanwaltschaft prüfen, ob Hans Günther W. zum Schutz der Allgemeinheit nach einer Verurteilung unter Sicherungsverwahrung, das heißt hinter Gittern, bleibt. Denn Peter Günther W. hat nachweislich bereits zweimal getötet, einmal vergewaltigt – und verschiedene Körperverletzungsdelikte begangen. Die Plädoyers in dem Prozess werden am kommenden Montag gehalten, möglicherweise fällt dann auch das Urteil. Sicherungsverwahrung wurde in Bremen zuletzt vor knapp zwei Jahren verhängt – erstmals wieder seit zwanzig Jahren. Doch ist es nicht das erste Mal, dass Richter im Zusammenhang mit Peter Günther W.s Taten über Sicherungsverwahrung nachdenken.

Zuletzt geschah dies Mitte der 90er Jahre, als der gelernte Automechaniker W. wegen Mordes an einer mit ihm befreundeten Kirchenorganistin vor Gericht stand. Sie hatte er 1985 umgebracht, nachdem sie sich gegen seine sexuellen Übergriffe wehrte. Des Mordes angeklagt wurde er jedoch erst anhand von Spuren, elf Jahre später. Wie bei seinem ersten Mord, dem kaltblütigen Erschießen eines schlafenden vermeintlichen Nebenbuhlers, hatte W. unter Alkohohleinfluss gehandelt – dieses Mal aber weniger eindeutige Spuren hinterlassen. Dennoch legte das Gericht dem Angeklagten damals die Suchtkrankheit als schuldmindernd aus. Ebenso erkannten die Richter an, dass W. nach einer – zwischenzeitlich begangenen brutalen – Vergewaltigung an einer Bekannten 1987 wenigstens während der anschließenden vierjährigen Bewährungsstrafe keine Straftaten begangen hatte. Das schwer gewürgte Opfer seiner Vergewaltigung, eine psychisch kranke Frau, lebte da schon nicht mehr. Sie starb an den Folgen „eines Sturzes“, wie es heißt.

Dass W. auch die Großmutter seiner Ex-Frau umgebracht haben könnte, als er die 74-jährige Frau Weihnachten 1985 in deren Wohnung besoffen besuchte – das gab die Auswertung von Spermaspuren aufgrund der technischen Möglichkeiten erst 2001 her (siehe Kasten). Vor Gericht sagt W. bis heute, er erinnere sich an nichts. „Mit Oma“ habe er das Gespräch gesucht – eine Darstellung, die ein Gutachter anhand der Spuren am Tatort nicht für zwingend hält.

Der Täter kam am Tatort zum Samenerguss. Als er sein Opfer erwürgt hatte, entfernte er sich unbemerkt mit dem Wohnungsschlüssel – alles keine Umstände, die die Version vom Filmriss erhärteten. Ebensowenig die Äußerung des Angeklagten bei der Verhaftung, dass er sich ärgere, die Tat nicht früher gestanden zu haben. „Die legt die Annahme nah, dass da doch eine Erinnerung besteht“, schloss der Gutachter scharf. ede