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Archiv-Artikel

SPD ziemlich verschämt

Beim NRW-Wahlkampf will so mancher Sozialdemokrat sich vom „Trend abkoppeln“ und verschweigen, dass er für die SPD kandidiert

KÖLN taz ■ Friedhelm Julius Beucher gibt sich entschlossen. „Meine Tatkraft will ich nutzen, um mit den Bergneustädterinnen und Bergneustädtern gemeinsam die Zukunft unserer Stadt zu gestalten“, verkündet der Bürgermeisterkandidat. „Das will ich über Parteigrenzen hinaus tun“, schreibt der 58-Jährige in einem Brief an die Bürger. So habe er ein „Kompetenzteam“ gebildet, „das nach Qualität zusammengesetzt ist“. Nur für welche Partei Beucher kandidiert, verrät er nicht.

Verständlich. Denn der frühere Bundesparlamentarier ist SPD-Mitglied. Das kommt zurzeit nicht so gut. Also verzichtet Beucher bei seinem Wahlkampf auf Partei-Hinweise: „Ich muss mich vom Negativtrend der SPD abkoppeln.“

Allerorten erwarten die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen mit Bangen die Kommunalwahlen am 26. September. Schon 1999 gab es für die bis dato so erfolgsverwöhnten Genossen ein Desaster – ein einmaliger Betriebsunfall, glaubten viele. Nun allerdings droht der endgültige Absturz. Denn mit der Bundes-SPD im Rücken lässt sich derzeit nicht einmal mehr ein kleiner Blumentopf gewinnen. Bei der Europawahl stürzte die Partei auf 25,7 Prozent ab – ihr schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte. In Aachen, Bonn und Münster landete die SPD mit Stimmanteilen zwischen 19,2 und 21,3 Prozent sogar noch hinter den Grünen auf Platz 3. Kein Wunder also, dass viele Sozis vor Ort möglichst wenig mit Berlin zu tun haben wollen. So erteilten die Oberhausener Genossen Wolfgang Clement ein „Oberhausen-Verbot“: Schröders „Superminister“ soll sich während des Wahlkampfs nicht blicken lassen. Und nicht nur Beucher, sonder auch andere SPDler schreiben ihre Parteizugehörigkeit möglichst klein. So prangt riesengroß das Motto „Aachen zuerst“ auf den Plakaten des Aachener Oberbürgermeisters Jürgen Linden – aber nur wer genau hinschaut, findet noch ein winziges SPD-Logo in der Ecke.

Solch ein dezenter Hinweis ist Bärbel Dieckmann hingegen schon zu viel. Die Plakate von Bonns Oberbürgermeisterin, immerhin SPD-Präsidiumsmitglied, ziert als Logo stattdessen ein umgeformtes Ortsschild: ein gelbes Herz mit der Aufschrift „Bonn“. Laut SPD-Unterbezirkschef Ulrich Kelber sei dies kein Affront gegen ihre Partei. Aber, so verriet er dem Spiegel: „Bärbel Dieckmann erreicht sehr viel mehr Menschen, als die SPD das kann.“ Umfragen geben ihm Recht. Danach liegt die populäre Stadtchefin mit 50 Prozent der Stimmen um fast 20 Prozentpunkte besser als ihre Partei und kann tatsächlich entgegen dem sozialdemokratischen Trend auf ihre Wiederwahl hoffen.

PASCAL BEUCKER