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Archiv-Artikel

JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA Popcorn, Gewürze und Ketchup: 0 Punkte

Manche stehen sogar nachts auf und holen sich Schokolade: Warum Diäten wirklich keine gute Idee sind

Hurra! Endlich kenne ich jemanden, der Whale-Watching macht. Ich meine natürlich Weight-Watching, Entschuldigung. Meine Freundin erschien neulich zum Cocktail nämlich überraschend mit dem Weight-Watcher-Punktekatalog in der Hand, und erstmals scheine ich das komplizierte Prinzip begriffen zu haben: Man bekommt eine bestimmte Punktzahl zugeteilt, so etwa wie das Handicap beim Golf, die sich danach richtet, wie viel man wiegen oder abnehmen möchte.

Meine Freundin hat zum Beispiel Handicap 21. Dazu haben die Weight-Watcher allen Lebensmitteln auf Gottes grüner Erde ebenfalls Punkte zugeteilt. Doch haben hier nicht die dekadentesten Speisen (Trüffel, Stopfleber, Fugu) die höchste Punktzahl, sondern die kalorienreichsten. Ich schätze, meine Lieblingskombination Erdnussbutter-auf-Käse-auf-normaler- Butter-auf-Weißbrot bekäme etwa eine 8,5. Und jetzt darf der/die Weight-WatcherIn täglich nur so lange essen, bis die anvisierte Punktzahl erreicht ist. Das wären in diesem Fall also zwei Erdnussbutter-Käse-Butterbrote plus noch acht Äpfel mit je 0,5 Punkten oder so.

Klingt einfach! Ist es aber nicht. Was macht man zum Beispiel, wenn man am Abend vier Hefeweizen trinken möchte, wonach es meiner Freundin hin und wieder gelüstet? Denn ein Hefeweizen hat schrecklich viele Punkte. Die Bedienung in dem Cocktailclub, die unsere Gastro-Rechenaufgaben verfolgte, erzählte gleich von ihrer Mutter, ebenfalls eine Weight-Watcherin, die einen tollen Trick ersonnen hatte, um das Punktesystem auszutricksen: Sie putzt morgens mit einem großen Stück ihrer Lieblings-Limonen-Käse-Sahne- Dessert-Torte schnell die Punktzahl für den ganzen Tag weg, und den Rest des Tages löffelt sie nur noch Popcorn mit null Punkten. Statt Popcorn dürfte man auch Gewürze oder ein Tütchen Ketchup schnabulieren, das gilt alles als null und nichtig. Und es gibt ja so aufregende Gewürze aus aller Herren Länder, da wird einem bestimmt nicht langweilig, wenn man sich zum Abendbrot einen richtig leckeren Löffel Zimt gönnen darf.

Zusätzlich zum Punktesammeln gibt es auch noch ein Belohnungssystem, wie bei Tupperware oder bei eBay, wo man hübsche Sterne vor seinen Namen gesetzt bekommt, wenn man gut verkauft. Bei den Weight-Watchers muss man als Belohnung fürs Dünnerwerden die Kurse nicht mehr bezahlen. Was mir nicht so richtig einleuchtet. Denn dann braucht man ja ohnehin nicht mehr hinzugehen.

Aber vermutlich würden die Gewichtsbeobachter auch lieber Wale beobachten, anstatt sich andauernd auf der Waage zu erschrecken. Eine Freundin, die früher ebenfalls ständig an ihren schönen Rundungen herummäkelte, hat jetzt eine geniale Methode gefunden, dem Mode- und Körperterror zu entgehen: Sie kauft sich ihre Kleidung in mehreren Größen. Das ist zwar teuer, aber das sind die Weight-Watcher auch. Trotzdem besser als Diät, sagt meine Freundin. Sie habe Diäten ohnehin nie durchgehalten, sondern sei immer nachts im Schlaf (!) aufgestanden und habe Schokolade gegessen. Geschieht dir recht, sagte ich dazu, du musst eben auf deinen Körper hören, und wenn der Schokolade will und keine alberne Trennkost, dann musst du ihm Schokolade geben. Doch meine Freundin hat immer nur müde abgewinkt: Dann platze ich.

Ich bin ja der Ansicht, dass jede Art von Diät, ob Punktesammeln, Trennen oder Gemüseüberdosis, nur dazu führt, dass man nachts im Schlaf aufsteht und Schokolade isst, oder zumindest davon träumt. Und dass man sich, wenn man mit seinen nicht diätenden FreundInnen Essen geht, zwar nur einen Salat bestellt, aber dann hungrig Frittiertes von den viel leckerer aussehenden Tellern der schlemmenden FreundInnen stibitzt. Vielleicht sollte ich also keine großen, köstlichen, diätunfreundlichen Dinge mehr bestellen, wenn ich mit gewichtsbeobachtenden Menschen Essen gehe. Aber das kann ich nicht. Ich will sie bei dem Schmu nicht unterstützen. Außerdem erinnert mich das Punktesystem zu sehr an den Grand Prix.

Fragen zu Sahnetorte? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN