: Tödlicher Unfall in japanischem Reaktor
Angeblich ein Leck in einer Dampfleitung: In Mihama starben mindestens vier Arbeiter an Verbrennungen. Laut Betreiber keine Radioaktivität ausgetreten. Schon früher Unfall im gleichen AKW. Zweiter Meiler wegen Wasseraustritt heruntergefahren
AUS TOKIO MARCO KAUFFMANN
Bei einem Unfall im japanischen Atomkraftwerk Mihama, 320 Kilometer nordwestlich von Tokio, sind bis gestern vier Arbeiter ums Leben gekommen, mindestens zehn wurden schwer verletzt. Dies hat die japanische Polizei bestätigt. Gemäß anderen Quellen ist inzwischen ein fünftes Opfer gestorben. Radioaktivität soll nach Angaben der Betreibergesellschaft des in der Provinz Fukui gelegenen Kraftwerks aber keine ausgetreten sein. Deshalb wurde vorerst auch niemand evakuiert.
Nach Darstellung der Betreiberin der Anlage, der Kansai Electric Power, ist in der Turbinenhalle durch ein Leck Dampf ausgetreten. Nach vorläufigen Angaben entwich der Dampf, weil der Bestand an Kühlwasser zu niedrig war. Mindestens zehn Personen erlitten bei Dampftemperaturen um die 200 Grad schwere Verbrennungen und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Zurzeit des Unglücks um 15.30 Uhr Ortszeit haben sich 200 Arbeiter in der Turbinenhalle des Druckwasserreaktors aufgehalten. Nach Angaben der Firma sei der betroffene Reaktor nach dem schweren Zwischenfall automatisch heruntergefahren worden. Ein Sprecher der japanischen Behörde für Nuklear- und Industriesicherheit sagte, die Wasserkreisläufe für Turbinen und Reaktoren seien getrennt. Der Dampf habe deshalb nicht radioaktiv verseucht sein können. Experten am Unfallort war es aufgrund der großen Hitze nicht möglich, die Turbinenhalle zu betreten.
Laut dem staatlichen Fernsehsender NHK stammt der Unfall-Reaktor, einer von insgesamt drei am Standort Mihama, aus dem Jahre 1976. Im gleichen AKW ist es bereits vor 13 Jahren zu einem schweren Unglück gekommen. Damals sind 55 Tonnen radioaktives Wasser freigesetzt worden. Nach dem Unfall von 1991 erhielt die Anti-Akw-Bewegung in Japan mächtig Auftrieb.
Wie der Fernsehsender NHK weiter berichtete, handelt es bei den Opfern um die Mitarbeiter einer externen Unterhaltsfirma, die eine Inspektion des Kraftwerks vorbereitet hätten. Ein Direktor von Kansai Electric meinte in einer Erklärung, er bedauere den Unfall sehr. Man werde alles daran setzen, die Ursache für das Leck zu finden.
In Japan haben sich in den vergangenen Jahren mehrere gravierende Unfälle in Atomanlagen ereignet. Am 30. September 1999 kam es in der Wiederaufbereitungsanlage von Tokaimura zum schlimmsten Unglück seit Tschernobyl. Damals hatten Arbeiter unter Missachtung elementarster Sicherheitsvorschriften eine viel zu große Menge Uran in ein Becken gekippt und damit eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst. Zwei Personen wurden getötet, 660 Menschen radioaktiv verstrahlt und hunderttausende durften ihre Wohnungen nicht verlassen. Später wurden mehrere Manager des 120 Kilometer außerhalb von Tokio gelegenen Werks verhaftet und wegen Missachtung von Sicherheitsbestimmungen zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Die Serie von Pannen und Schlampereien ist seither nicht abgerissen. Japans größter Stromlieferant, Tokyo Electric Power (Tepco), musste 2003 vorübergehend alle 17 Kraftwerke abstellen. Tepco hatte über ein Jahrzehnt hinweg Inspektions- und Reparaturberichte über Defekte an Reaktoren gefälscht. Fünf Topmanager mussten zurücktreten. Mehrere japanische Städte haben sich seither gegen neue AKWs ausgesprochen. Japan deckt beinahe 40 Prozent seines Elektrizitätsbedarfs mit Atomstrom.
Am gestrigen 59. Gedenktag des Atombombenabwurfs auf Nagasaki kam es zu einem zweiten Zwischenfall in einem japanischen Atomreaktor. Die Tokyo Electric Power teilte mit, sie habe wegen eines Wasserlecks einen der Reaktoren des Fukushima-Daini-Kraftwerks heruntergefahren.