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Archiv-Artikel

Bulmahn baut vor

Offiziell hält die Ministerin am Gebührenverbot fest – und bastelt schon an einem Modell für Studienkonten

BERLIN taz ■ Edelgard Bulmahn hintertreibt ihre eigene Strategie. Als Bildungsministerin fährt sie die Debatte um Studiengebühren klein. Keinerlei Handlungsbedarf mag sie hinsichtlich der zum Jahresende fälligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erkennen, ob der Bund Gebühren für das Erststudium weiterhin verbieten darf.

Als Taktikerin will sie dagegen ihre Genossen im Vorfeld auf Linie bringen. „Ich möchte gemeinsam mit den SPD-Ländern und meiner Partei in den nächsten Monaten eine einheitliche sozialdemokratische Studienfinanzierung entwickeln“, kündigte sie aus dem Urlaub an. Für Langzeitstudenten und ausländische Studierende könne sie sich auch direkte Gebühren vorstellen, verriet sie.

Was Bulmahn vorschwebt, ist nicht ganz neu. Es orientiert sich nach Auskunft von Ministeriumssprecher Florian Frank am Modell der Studienkonten, das der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner vor drei Jahren vorstellte.

Alle Studienanfänger erhalten demnach ein Punkteguthaben, das sie innerhalb eines Zeitkorridors aufbrauchen können. Solange der Kontostand noch nicht bei null ist, darf der Student das Bildungsangebot der Unis kostenlos wahrnehmen. Wer dagegen alle Punkte bereits aufgebraucht hat, muss zahlen.

Für den bildungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, kommen die Anregungen der Bildungsministerin zum rechten Zeitpunkt. „Damit können wir die Luft aus der Debatte um schnöde Gebühren nehmen“, sagte er der taz. Selbst wenn das allgemeine Verbot von Studiengebühren in Kraft bleibe, könne er sich vorstellen, dass Kontenmodell weiter voranzutreiben.

Auch die gebührenfeindlichen Jusos weisen die Urlaubsgrüße der Ministerin nicht gänzlich zurück. „Das ist ein Versuch, aus der Verfassungsgerichtskrise herauszukommen“, urteilt der Juso-Vorsitzende Björn Böhning. „Wir müssen über eigene Modelle reden, zu lange wurde das nicht getan“, sagte er der taz. Den Vorschlag Bulmahns, Nicht-EU-Ausländer zur Kasse zu bitten, nannte er dagegen „hanebüchen und populistisch“.

Während die CDU-regierten Länder unter Federführung des parteilosen Hamburger Wissenschaftsministers Jörg Dräger an einem gemeinsamen Modell für Studiengebühren feilen, haben die SPD-Länder noch keine einheitliche Position gefunden. Studienkontenmodelle werden schon im SPD-regierten Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen erprobt. In beiden Ländern wird jedes Semester automatisch ein festgelegter Satz abgebucht – unabhängig davon, welche Lehrveranstaltungen ein Student tatsächlich besucht hat. Doch haben die Wissenschaftsminister bislang nicht abgestimmt, sodass die Studenten ihre Konten nicht länderübergreifend nutzen können.

In anderen Ländern, in denen die SPD mitregiert, sind Studienkonten gar kein Thema. Johanna Wanka, CDU-Wissenschaftsministerin in der SPD-Hochburg Brandenburg, sympathisiert mit dem CDU-Modell der nachgelagerten Gebühren. Von Gebühren nur für Langzeitstudenten halte sie gar nichts, sagte ihr Sprecher Holger Drews. Dann hätten die Unis kein Interesse mehr daran, ihre Studenten zügig zum Abschluss zu führen. FLORIAN HOLLENBACH, ANNA LEHMANN

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