: Vager Kurswechsel
Die Initiatoren der SPD-Kettenbriefe wollen Kanzler Schröder stürzen, aber keine neue Partei gründen
KÖLN taz ■ Paul Paternoga ist ein altgedienter Genosse. „Seit ‚Willy wählen‘“, wie er sagt, also seit 32 Jahren, ist er in der Partei. „Eine andere kommt für mich nicht in Frage“, betont der Gewerkschafter. Und: „Die SPD ist verteidigungswert!“ Verteidigen will er sie besonders gegen einen Mann: Gerhard Schröder. Deswegen ist Paternoga einer der Initiatoren des „Kettenbriefs“ gegen den sozialdemokratischen Bundeskanzler. Gestern präsentierten sich die Aufrührer in einem Kölner Hotel der Öffentlichkeit.
Nach dem großen Medienecho der vergangenen Tage hätten sich nun inzwischen rund einhundert Unzufriedene ihrem Aufruf zum Kanzler-Sturz angeschlossen. Außerdem gebe es „viele Zuschriften aus allen Teilen Deutschlands“, so Mitinitiator Henning Frey, der erst seit etwas über einem Jahr SPD-Mitglied ist. „Wir stehen am Anfang, wir wollen die Sache weiterführen.“
Nur wohin? Die vor allem im Rheinland angesiedelten Kettenbriefschreiber wollen die SPD und den Sozialstaat retten, fordern die „Verteidigung der sozialdemokratischen Grundwerte“ und einen „Kurswechsel“. Und sie wollen Schröder „davonjagen“. Aber wer könnte an seine Stelle treten? „Wir sind der Meinung, dass wir einen wirklichen Sozialdemokraten in der Regierung brauchen“, sagte Frey. Wer das sein soll, verriet er nicht.
Auch ansonsten blieb vieles nebulös. Erstunterzeichnerin Eva Gürster verkündete: „Schröder muss weg!“ Das sei „das Anliegen von ganz, ganz vielen Menschen in Deutschland“. Aber was, wenn er doch bleibt? Mit dieser Frage scheinen sich die sozialdemokratischen Palastrevolutionäre bisher nicht näher auseinander gesetzt zu haben. Entsprechend vage fiel die Antwort der Kölner Psychologin aus: „Man sollte vertrauen in die SPD, man sollte vertrauen in die Mitglieder.“
Gürster hat Mitte der 90er-Jahre erfolglos für die trotzkistisch angehauchte Liste „Plattform Europa der Arbeitnehmerinnen und Demokratie“ bei der Europawahl kandidiert. Diese Erfahrung hat geprägt: „Wir wollen keine neue Partei.“ Denn die würde nur zu einer Spaltung der Linken führen. So habe zwar Oskar Lafontaine mit seiner Kritik am Kurs Schröders „absolut Recht“. Aber das Liebäugeln des früheren Parteichefs mit einer Partei links der SPD werde von den Kettenbriefschreibern „in keiner Weise toleriert“. Es sei vielmehr weiterhin die „Berufung“ der SPD, „die Arbeitnehmerinteressen zu vertreten“.
PASCAL BEUCKER