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Archiv-Artikel

Das Museum als XXL-Raumskulptur

Sieben Jahre führte die Berlinische Galerie – Museum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur – ein Vagabundenleben. Jetzt ist ihr Neubau fertig gestellt. Es ist ein schlichtes und zugleich schönes Museum geworden, und Senator Flierl spielt Orakel

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

In der Regel bezeichnen Museumsdirektoren ihr Haus nicht als „Kiste“. Klingt das doch abschätzig und unästhetisch, wenn nicht gar geschäftsschädigend. Jörn Merkert, Chef der „Berlinischen Galerie“, das Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und für Architektur, hat am Dienstag so über sein Museum gesprochen – natürlich ex positivo. Aus der Kiste für das einstige Glaslager Kreuzbergs, so Merkert beim Festakt zur Fertigstellung des Museums, sei nach nur zwei Jahren Bauzeit eine „Kiste der Künste“ für die große Sammlung moderner und zeitgenössischer Werke in Berlin und Europa geworden.

Diese Flapsigkeit in der Wortwahl Jörn Merkerts mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Berlinische Galerie sieben Jahre auf diesen Moment, ein eigenes Haus zu beziehen, warten musste und dieser nun endlich da war. Gleichzeitig ist „Kiste“ eine durchaus angemessene Bezeichung für das neue Museum, setzt man die Attribute klar und schnittig und modern hinzu. Was durch den Umbau und Neubau einer Lagerhalle in der Alten Jakobstraße entstanden ist, orakelte Kultursenator Flierl (PDS), „wird die Stadt verändern“.

Es lässt sich auch anders sagen: Für 18,7 Millionen Euro haben die Architekten Jörg Fricke/Juan de Diego und Kühn Malvezzi sowie Fritz Balthaus ein Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit oder des Bauhauses erschaffen, das trotz – oder gerade wegen – seiner Schlichtheit sich neben den jüngsten Museumsneubauten Berlins sehen lassen kann. Hinter einem neuen Eingangsflügel aus Glas und glatten weißen Wandflächen öffnet sich eine 60 mal 60 Meter große und 10 Meter hohe Halle – das entkernte Lagerhaus, ein Bau der 1960er.

In dieses riesige Quadrat hinein stellten die Architekten eine X-förmige, die Halle kreuzende Freitreppe, die quasi als XXL-Raumskulptur einerseits und der Erschließung der offenen oberen Ausstellungsebene andererseits dient.

Die Treppe ist das Markenzeichen des Baus. Hier laufen alle Linien zusammen, von hier aus geht es in die verschiedenen Abteilungen, von ihr aus überblickt man das gesamte Museum. Sie spiegelt damit das Museums-Konzept wider: Neben Gemälden, Fotos und Architektur beherbergt die Berlinische Sammlung als viertes Element auch Grafik und Design.

Das Erdgeschoss mit der zentralen, raumhohen Halle, zwei großen Sälen für die Sammlung und Wechselausstellungen sowie die obere Ebene bilden insgesamt 4.600 Quadratmeter Fläche. Hier sollen die Werke der Dadaisten, des Expressionismus und der Nachkriegsmoderne, die Schwerpunkte der Berlinischen Galerie, präsentiert werden. Hinzu kommen im Seitenflügel eine Bibliothek und ein Auditorium mit über 230 Plätzen.

Mit der Einrichtung des neuen Hauses bis zur Eröffnung im Oktober stehe ihm der „schönste Moment eines Museumsmenschen bevor“, jubelte Merkert. Zugleich teilte er gestern an die Adresse der Politiker auch kräftig aus: Nach dem Rauswurf des Landesmuseums aus dem Martin Gropius Bau 1997 habe man ein „Vagabundenleben“ führen müssen. Die Überlegungen, in das Postfuhramt oder in die Eiskeller der Schultheissbrauerei (Kreuzberg) zu ziehen, scheiterten. Ex-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) verweigerte der Galerie das Geld, das Schultheiss-Projekt ging Pleite. Auch der nunmehrige Standort Alte Jakobstraße 124 wurde – wegen seiner Abseitigkeit – madig gemacht, obwohl die Nähe des Jüdischen Museums „Laufkundschaft“ garantiere. Mit dem Projekt habe man aber „Besserwissern und Meckerpötten in der Politik gezeigt, wie es geht“, sagte Merkert – ganz stolz auf seine „Kiste“.