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Archiv-Artikel

Des Rektors neues Zimmer

Inspirierende Seeluft und wunderschöne Sonnenuntergänge: 800 Bremer Kunst-Studenten ziehen in den Hafen. Im Speicher XI stehen der Hochschule für Künste 12.000 Quadratmeter zur Verfügung. Das wird nicht reichen, befürchten einige

„Jetzt fängt die große Sucherei an“,klagt derWerkstattleiterFür die Arbeit mit Baumstämmenfehlt der Platz

Fischmehl. Der Geruch beißt sofort in der Nase, kommt von der Fabrik schräg gegenüber. An der Rolandmühle liegt die „Zuara“ mit ihrem massigen roten Bauch vor Anker. Die Mastflagge des Frachtschiffs weht im Wind. Möwen kreischen durch die Nachmittagsluft.

„Es ist halt Hafenflair“, sagt Peter Rautmann, Rektor der Hochschule für Künste beim Blick aus dem Fenster. Die Hochschule zieht in diesen Tagen um, in eines der größten Gebäude in Bremen: Speicher XI ist der 396 Meter lange Inbegriff der urbanen Nutzung des Hafenreviers. Nach zweijähriger Bauzeit werden ab 6. Oktober knapp 800 Studenten die neun Trakte des Speichers bevölkern.

Für knapp 14 Millonen Euro ließ Klaus Hübotter das 1912 erbaute Backsteingebäude sanieren, in dem früher Baumwolle, Kaffee und Tabak gelagert wurden. Nun ziehen die Studenten der Bildenden Künste hier ein – erstmals sind sie dann unter einem Dach. Die Musiker bleiben aber draußen – in der Dechanatstraße. Trotzdem freut sich Rektor Rautmann auf „Synergieffekte“ im 12.000 Quadratmeter-Gebäude, auf „Kommunikation zwischen den Studiengängen“, auf Verbindung verschiedener Medien durch räumliche Nähe. So soll kreativeres Arbeiten ermöglicht werden. Seit dem 11. August wird das Gebäude bezogen, seit knapp zwei Wochen bereits sitzt die Uni-Verwaltung in ihren neuen Gemächern: Rektor Rautmann blickt noch etwas unsicher durch das Zimmer. Sein neues Zimmer! Überall stehen noch Umzugskartons, prall gefüllt mit Akten. Gemälde liegen eingepackt auf dem Boden. Möbel: erst spärlich vorhanden. Bestellt seien sie, „kein Holz, sondern Metall“, zurückhaltend solle die Einrichtung sein, dem Industriecharakter Rechnung tragen. An seinem Zimmer gefallen Rautmann besonders die großen Rundbogenfenster: frühere Ladeluken, jetzt kleine Balkone. „Herrliche Sonnenuntergänge gibt es hier!“

Wer das Rektorat verlässt, steht sofort auf dem breiten, holzgedielten Flur. Und wundert sich: Personen am anderen Ende des Ganges sind nur noch kleine Pünktchen, 210 Meter entfernt. Die Flurlänge bewältigten Verwaltungsangestellte bereits mit Rollern, weiß Ernst-Dieter Röse, Technikleiter der Hochschule. Er läuft die Gänge ab und wartet an diesem Nachmittag auf seine Computer, die die Umzugsfirma längst liefern wollte. Der Transport von technischem Zubehör ins Hafenrevier geht nicht ohne Fehler über die Bühne: „Jetzt fängt die große Sucherei an“, so Gießerei-Werkstattleiter Bernd Hentschel über seine nächste Aufgabe. „Mir wurden Sachen angeliefert, da hab ich nicht die leiseste Ahnung, was das ist. Oder aus welcher Abteilung die kommen!“

Werkstattleiter Hentschel geht mit gemischten Gefühlen ins neue Semester: Früher war er Am Wandrahm untergebracht, im Keller. Seine „Kellerneurose“ könne er nun vielleicht überwinden, hier im lichtdurchtränkten Erdgeschoss, in seiner knapp sieben Meter hohen, weißgepinselten Werkstatt. „Aber mir fehlt hier Stauraum, den ich früher hatte. Für Skulpturen“, klagt Hentschel wie viele seiner KollegInnen, deren künftige Arbeitsstätten noch unfertig und verwüstet aussehen.

Die größte Kritik am Speicher XI kommt von den StudentInnen selbst: Das große 12.000-Quadratmeter-Areal sei nicht groß genug für Maler und Bildhauer. „Wenn wir jetzt einen Baumstamm bearbeiten wollen, passen nur zwei Leute in das Atelier. Wir müssen aber zu acht dort arbeiten“, klagt Bildhauerei-Studentin Christiane Osann. Auch der Asta-Rat der Hochschule sagt, das Gebäude sei „zu klein“.

Das Problem: Beim Speicher-Umbau wurden geltende Richtlinien umgesetzt, die 18 Quadratmeter pro MalerIn oder BildhauerIn vorschreiben. „Das Soll wurde sehr gut erfüllt“, sagt Pressesprecherin Imke Lode. Die früheren Räumlichkeiten, wie die Ateliers am Neustadt-Güterbahnhof, in der Alten Wahnstraße oder in der Dechannatsstraße „sollten nur zweckmäßig und preiswert sein“, so Pressesprecherin weiter, die Richtlinien hätten „keine Rolle gespielt“. Daher sei dort „das Soll übererfüllt worden“.

Rektor Rautmann räumt ein, dass im Speicher die Räumlichkeiten für die freien Künste an Grenzen stoßen könnten. Ein großzügiger Freiplatz hinter dem Speicher XI könne als Arbeitsstätte für die raumintensiveren Studiengänge benutzt werden. Und im Winter? Eventuell sollen Container aufgestellt oder eine Überdachung installiert werden. „Wir sind noch in der Diskussion“, sagt Rautmann. Uni-Dekan Peter Schäfer beruhigt: „Erst mal sollten wir einziehen, und nicht schon wieder ausziehen“. Unisono fordern Uni-Leitung und Studentenrat: Erst mal abwarten! JAn Grundmann