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Archiv-Artikel

Eroberer im Partyraum

„Wenn es darum ginge, möglichst viel Geld zu verdienen, dann wäre es sinnvoller, mit Kartoffeln zu handeln“: Ein Porträt des Berliner Labels Klangkrieg Produktionen, die lieber mit Geräuschen dealen

von THOMAS WINKLER

Extremismus genießt dieser Tage keinen guten Ruf. Das ist schade, denn nicht immer materalisiert er sich als Terrorakt. Mitunter auch als Klang. Da hyperventiliert die Musik oder kommt fast zum Stillstand. Lässt die Boxen ächzen, ist mal befreiender Lärm, mal unerträglicher Wohlklang. Sicher ist nur eins: Die Musik, die auf Klangkrieg Produktionen erscheint, macht sich auf die Suche nach Extremen, formal, inhaltlich oder emotional.

Der hauptverantwortliche Extremist wartet zum konspirativen Treffen in einer schmucklosen Hinterhofwohnung in Friedrichshain. „Die Sache ist doch ganz einfach“, sagt Alf Schmidt in einem freundlich berlinerndenSlang über sein Label, dem widersprüchlichsten der Hauptstadt, „es muss uns gefallen.“

Schmidt und Christoph Winkler, die Klangkrieg zusammen mit Janet Krenzlin leiten – Krenzlin kümmert sich vornehmlich ums Booking –, gefällt so allerhand, denn nach einem auch nur annähernd abgegrenzten Label-Sound sucht man bei den Veröffentlichungen von Klangkrieg vergebens. „Der Klangkrieger soll auch Eroberer, Forscher sein“, sagt Schmidt. Bei diesen Forschungsreisen scheint alles möglich. „Wir würden sicherlich keine Metal-Platte machen“, schränkt Schmidt ein, denkt einen Moment nach, schweigt noch etwas und ergänzt schließlich: „Oder warum eigentlich nicht.“ Wie um das zu unterstreichen, nimmt Guido Möbius einen Schluck Kaffee aus einer Tasse, auf der das Symbol des führenden Heavy-Metal-Labels GUN prangt.

Möbius organisiert für Klangkrieg die Pressearbeit und hat zudem dieser Tage auf dem Label sein Debütalbum „klisten“ herausgebracht. Darauf elektronisches Geknister im Verbund mit fernöstlichen Melodien, nicht mehr clicks + cuts, aber lange auch noch nicht Song. Der Extremismus liegt hier eher im unermüdlichen Drang nach Geräuschen und neuen Klangkombinationen.

Andere Veröffentlichungen auf Klangkrieg stammen von Danzen Jetzt, deren „alles will los 2“ mitunter klingt, als würden Kinder auf nachlässig programmierten Synthies herumdaddeln. Oder Echokrank, Hausfrauen im Transenstyle, deren Minimalismus nervös deliriert und mit schwer philosophischem Gepäck daherkommt. Verbunden sind die einzelnen Projekte nicht durch ein musikalisches Programm, gemeinsam scheint ihnen vor allem, dass jeder allzu einfache, gefühlige Zugang zu den Klängen abgelehnt wird.

Schmidt tut sich schwer, Kriterien anzugeben für die Veröffentlichungspolitik, die verknüpft, was bislang widersprüchlich schien. „Mal geht es uns eher ums Handwerk, mal eher um den Sound, mal um die Herangehensweise“, tastet er nach dem eigenen Konzept.„Wichtig ist nur: Keine Platte darf überflüssig sein.“

Diese Notwendigkeit entstand, als man die unter dem Titel „Klangkrieg“ an immer wieder neuen Orten in der Stadt stattfindenden Partys dokumentieren wollte. Seit 1996 hatte man zuerst auf der Insel, später dann im Maria, Bastard und Podewil Künstler zusammengeführt, hatte vermittelt zwischen Akademikern und Ravern, zwischen Oberton-Artisten und Lärm-Propheten, zwischen Programmierern und Musikern. Die aufregendsten Aufeinandertreffen wurden als Compilation „HardBodies“ veröffentlicht, seitdem wird in der Reihe „Connected“ das Prinzip des Soundclash weiter geführt.

Reich werden lässt es sich mit dem Label natürlich nicht. „Wenn es darum ginge, möglichst viel Geld zu verdienen“, meint Möbius, „dann wäre es sinnvoller. mit Kartoffeln zu handeln.“ So verdient Schmidt seine Miete als Tontechniker im Theater, während sich Winkler als Choreograf einen guten Ruf erworben hat. Platten zu verkaufen ist dieser Tage nicht einfach, der ganz und gar nicht klar definierte Sound von Klangkrieg macht es nicht einfacher. „Dass das alles auf einem einzigen Label stattfindet“, sagt Schmidt, „das ist schon ein gewisser Trotz.“ Und vor allem mutig, denn andere Minilabels haben ein eindeutiges Profil, das eine kleine, treue Stammklientel garantiert. Gerade diese Offenheit hat andererseits dafür gesorgt, dass sich Klangkrieg am äußersten Rand des Musikgeschäfts etabliert hat. Der Ruf des Labels ist als wagemutig gefestigt, die Reputation längst international.

Heute, 21 Uhr, gemeinsames Festival der Label Klangkrieg und Staubgold, mit Möbius, Echokrank u. a., Magnet Club, Greifswalder Str. 212–213, Prenzlauer Berg