: Kein Goldglanz
Die nordischen Skisportler aus Deutschland sammelten in Liberec eifrig Silber, aber genau deshalb könnte die WM schnell wieder vergessen sein
VON KATHRIN ZEILMANN
Die letzte realistische Gold-Chance für die deutschen nordischen Skisportler zerschlug sich in der letzten Kurve vor dem Ziel. Da musste Kombinierer Björn Kircheisen seinen Konkurrenten Bill Demong (USA) ziehen lassen, er hatte nicht die Kraft für einen Zielsprint. Es wurde Platz zwei für Kircheisen, es war die achte Silbermedaille für den Deutschen Skiverband (DSV) bei der Weltmeisterschaft der nordischen Ski-Sportler in Liberec. Die stattliche Anzahl an silbernen Plaketten kann nur ein wenig darüber hinwegtrösten, dass es den deutschen Startern an Titeln fehlt. Und so eine Weltmeisterschaft ohne Goldglanz gerät schnell in Vergessenheit, zumal erst vor ein paar Wochen die alpinen Weltmeisterinnen Maria Riesch und Kathrin Hölzl und eine zweimalige Biathlon-Weltmeisterin Kati Wilhelm ausführlich zu feiern waren. Es ist ein harter Kampf um die Aufmerksamkeit.
Nur rund zwei Stunden nach Kircheisens Auftritt gab die Skisprung-Abteilung einen desolaten WM-Abschied: Platz zehn im Teamspringen nach dem ersten Durchgang, damit durften Michael Neumayer, Stephan Hocke, Michael Uhrmann und Martin Schmitt nicht einmal am Finale teilnehmen, das Österreich überlegen gewann. „Das ist wie ein schlechter Film“, sagte Bundestrainer Werner Schuster. Er hatte auf diesen Wettbewerb hingearbeitet, hier sollte das Quartett in seinem ersten Winter als Cheftrainer seine Medaillenchance möglichst lange wahren. Die Hüpfer der deutschen Starter waren jedoch so unterdurchschnittlich, dass man es kaum glauben konnte, dass Schmitt tags zuvor noch Silber im Einzel gewonnen hatte.
Dabei gab es hier die wohl schönste Finte dieser WM für das deutsche nordische Team zu bestaunen: Schmitt, 1999 und 2001 mit je zwei Titeln ausgezeichnet, dann viele Jahre an den Neuerungen seines Sports und eigenen Fehlern gescheitert, bekommt die Silbermedaille um den Hals gehängt. Am Samstag springt er dann aber nur indiskutable 112,5 Meter weit, zwischen Genialität und Dilettantismus braucht es im Schanzensport gerade einmal 24 Stunden Pause.
Niemand aus dem deutschen Team hat sich hervortun können als Leitfigur, als unbedingter Leistungsgarant. Viele waren gut – aber andere waren besser. Vor allem die Sparte Langlauf stagniert. Da wird schon eine 18 Jahre alte Nachwuchsbiathletin zur Sensation in einem Team, in dem die seit Jahren allseits bekannten deutschen Protagonisten durch die Loipen pflügen. Freilich hat die fröhliche und unbekümmerte Miriam Gössner einen formidablen Staffelauftritt hingelegt und damit den Grundstein zu Silber für das deutsche Quartett beigesteuert. Aber dass man sich eine junge Biathletin ausleihen musste, um in Liberec einigermaßen reüssieren zu können, wirft kein gutes Licht auf die eigene Nachwuchsabteilung.
Immerhin lieferten die Langläuferinnen den Beobachtern viel, viel Knatsch: Langlauf-Cheftrainer Jochen Behle lästerte über seinen speziell für die Frauen zuständigen Kollegen Ismo Hämäläinen, weil dieser, so kann man sinngemäß zusammenfassen, ein Softie ist. Die Frauen empfinden diese Art der Trainingsführung aber als vorteilhaft, was sich in der skurrilen Frage entlud, ob Claudia Nystad nach Staffel-Silber auf einschlägige Fragen dem Reporter den Stinkefinger zeigte oder Behle. Die Medaille in der Staffel, hat DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller drohend erklärt, werde nicht über die mageren Leistungen der Läuferinnen hinwegtäuschen. Denn außer im emotionsgeladenen Staffelrennen präsentierten sie sich ähnlich indisponiert wie die Springer beim Teamwettbewerb.
Als Entdeckung dieser WM darf höchstens das Frauenskispringen gelten. Die Fliegerinnen haben eine ordentliche WM-Premiere abgeliefert, Ulrike Gräßler hat Silber gewonnen, was das Prestige der Springerinnengruppe im Skiverband erhöhen dürfte. Und nicht zu vergessen: Kombinierer Tino Edelmann. Der 23-Jährige holte Silber im Massenstart und lieferte im Teamwettkampf ein so beherztes Schlussrennen, dass er nur um den Bruchteil einer Sekunde vom japanischen Konkurrenten geschlagen wurde. Der junge Thüringer ist eloquent, intelligent und begabt. Es ist die Stärke der von Bundestrainer Hermann Weinbuch geführten Abteilung, sich immer wieder selbst zu erneuern: Schwächelt der lange erkrankte Ronny Ackermann, schwingen sich Kircheisen und eben Edelmann auf zu Stützen der Mannschaft. Auch wenn Bill Demong Kircheisens Lauf zum Titel vereitelt hatte.