Abbas laviert heftig

Palästinas Premier resümiert erste hundert Tage im Amt vor Parlament, bleibt „Roadmap“ treu und geht auf Arafat zu. Scharfe Kritik an Israel

JERUSALEM taz ■ Während vor den Toren des Abgeordnetenhauses in Ramallah heftige Kritik gegen die Regierung von Premier Mahmud Abbas laut wurde, lauschten die Parlamentarier der Ansprache ihres Regierungschefs ohne Zwischenrufe. Abbas, alias Abu Masen, resümierte die ersten hundert Tage seiner Amtszeit, richtete versöhnliche Worte an Palästinenserpräsident Jassir Arafat und schob die Verantwortung für die jüngste Eskalation Israel und den USA zu.

„Wir müssen den politischen Prozess wieder aufnehmen“, hielt er dennoch an der internationalen Friedensinitiative „Roadmap“ fest. Nur so sei „Mord und Zerstörung“ zu stoppen. Die USA und das so genannte Nahostquartett, bestehend aus zusätzlich der EU, der UNO und Russlands, rief er zu „härterer Arbeit“ auf, um den Friedensplan zu retten. Nur wenige Stunden vor der Parlamentssitzung töteten Anhänger der Fatah-nahen „Al-Aksa-Brigaden“ einen israelischen Soldaten in Dschenin.

„Arafat ist der verfassungsmäßig gewählte und historische Führer des palästinensischen Volkes“, betonte Abu Masen. Die Belagerung seines Amtssitzes sei „nicht moralisch“ und verletze zudem „die nationale Würde“ der Palästinenser. Auch die USA sollten ihren Boykott gegen ihn aufheben. Der Premierminister gestand ein, dass innerhalb der Führungsreihen „Defekte“ bestehen und schlug vor, diese entsprechend des Grundgesetzes zu beseitigen. Die beiden Männer waren über die Befehlsgewalt der Sicherheitsdienste in einen Machtkampf geraten. Abu Masen, der erneut seinen Rücktritt in Aussicht stellte, hofft nun auf Klärung durch das Parlament vermutlich in der kommenden Woche.

Aus Fatah-Kreisen wurde Skepsis laut, dass sich Abu Masen gegenüber Arafat behaupten könne. Rund 200 Fatah-Aktivisten demonstrierten während der Parlamentssitzung gegen seine Regierung, der es nicht gelungen sei, die Lebensumstände der Palästinenser zu verbessern. Eine Gruppe Maskierter warf Fenster des Gebäudes ein. Die „Palästinensische Nationale Initiative“ forderte Neuwahlen.

Israel habe vor allem mit der Exekution politischer Führer den Prozess sabotiert, so Abu Masen. Die derzeit in weiten Teilen auf palästinensischem Land errichteten Trennanlagen nannte er „rassistisch“. Palästinensische Städte würden durch diese „Berliner Mauer“ zu „Konzentrationslagern“ gemacht. Abu Masen wiederholte seine Weigerung, mit Gewalt gegen die militanten Extremisten vorzugehen, wie es Israel fordert. SUSANNE KNAUL