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Archiv-Artikel

Eltern ohne Einblick

Bildungsbehörde will Zahl der Klassenarbeiten reduzieren. Elternkammer dagegen, Lehrer dafür. Zentrale Vergleichsarbeiten in Klassen 3, 6 und 8

Alle Schüler von Volksdorf bis Veddel müssen dieselben Hürden nehmen

von KAIJA KUTTER

Die Bildungsbehörde hat eine neue Richtlinie für Klassenarbeiten verfasst, die nächsten Dienstag von der Deputation verabschiedet wird. Demnach wird die Zahl der Klassenarbeiten in den Hauptfächern Deutsch, Mathe und Englisch von drei auf zwei pro Halbjahr reduziert. Zudem sollen in den Klassen 3, 6 und 8 zentrale Arbeiten geschrieben werden, die die Schulaufsicht vorgibt.

Die Elternkammer läuft dagegen Sturm. Ohne dritte Arbeit hätten Schüler keine Chance, schlechte Noten auszugleichen, befürchtet Elternvertreter Holger Gisch. Für „Nebenfächer“ wie Biologie oder Erdkunde sind Klassenarbeiten bereits seit zehn Jahren nicht mehr Vorschrift. Ersatzweise reichen Referate, Tests oder andere Schriftarbeiten. Holger Gisch fürchtet, dass Lehrer angesicht der viel zu knapp bemessenen Korrekturzeiten im Arbeitszeitmodell nun verstärkt davon Gebrauch machen und die Noten für Eltern nicht mehr nachvollziehbar sind.

„Warum soll es in Biologie nicht ‚richtige‘ Klassenarbeiten geben, die auch korrigiert zurückgegeben werden?“, fragt auch die Kammervorsitzende Sabine Bick. Angesichts der knappen Zeit, so fürchtet sie, würden Lehrer vermehrt zu simplen „multiple choice“-Tests greifen. Schon heute sei die Praxis nicht befriedigend, weil Arbeiten in Nebenfächern oft erst Wochen später und ohne Einsicht in Aufgabenstellung und Zustandekommen der Punktzahl zurückkämen. Wenn sich die Note überwiegend aus dem Mündlichen ergibt, sei diese für Eltern schwieriger nachzuvollziehen.

In Lehrerkreisen hingegen wird die Reduzierung auf zwei Klassenarbeiten begrüßt. Diese seien im modernen Unterricht nicht mehr sinnvoll und würden besser durch Präsentationen und Referate ersetzt, erklärt GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm. Die Sorgen der Eltern seien nicht begründet. So werde niemand Schülern eine Note geben, die nur auf zwei Klassenarbeiten fußt. Auch seien Lehrer gehalten, stille Kinder gesondert in den Blick zu nehmen.

Auch die Lehrerkammer begrüßt die Reduzierung, ist aber wegen des neuen Verfahrens bei den Vergleichsarbeiten alarmiert. Diese gab es zwar bisher schon, doch konnten die Aufgaben im Rahmen gewisser Vorgaben schulintern gestellt werden. Die Arbeiten sind nun eine von nur vieren im Jahr und somit relevant für die weiteren Bildungswege der Schüler. „Die Auslese wird sich verschärfen“, fürchtet die neue Lehrerkammervorsitzende Katrin Blümel. Bisher hätten Schulen vor Ort beispielsweise durch die Wahl des Textes bei Inhaltsangaben Einfluss nehmen können. Künftig müssten Schüler „von Volksdorf bis Veddel“ dieselben Hürden nehmen.

Zudem werde damit die gerade erst begonnene Einführung der neuen Bildungspläne verhindert, die Lehrer zu neuen Methoden auffordern. Blümel: „Wenn ich nicht weiß, was auf die Schüler zukommt, werde ich traditionell Stoff einpauken, damit die Schüler nicht durchfallen.“