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Archiv-Artikel

„Die Globalisierung ist nicht am Ende“

Ökonom Rolf Jungnickel über den weltweiten Rückgang der Kapitalinvestition von Unternehmen im Ausland

taz: Die Investitionen von Unternehmen im Ausland sind seit 2000 von rund 1.300 auf 650 Milliarden Dollar geschrumpft. Das schreibt die UN-Organisation für Handel und Entwicklung. Erleben wir das Ende der „Globalisierung“?

Rolf Jungnickel: Der Rückgang betrifft neue Direktinvestitionen, nicht aber den Bestand. Wenn die Weltwirtschaft wieder in Fahrt kommt, dürfte auch die internationale Unternehmensverflechtung wieder stärker zunehmen.

In die USA fließt weniger Kapital, die EU gewinnt. Warum?

Mit der Vollendung des Binnenmarkts und der anstehenden Osterweiterung haben die EU-Ländern sicher an Attraktivität gewonnen, während die Flaute in den USA zu niedrigeren Direktinvestitionen führt. Allerdings vermag ich nicht an einen nachhaltigen Umschwung zu Lasten der USA glauben. Die regionale Entwicklung der Investitionen hängt zu sehr von der wechselhaften wirtschaftlichen Entwicklung, den Börsenkursen und Branchenbesonderheiten ab.

Frisches Kapital fließt nur in wenige Länder wie China. Treibt die Welt auseinander?

Die genannten Regionen sind gegenwärtig Magneten. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass vor allem solche Länder profitieren, die eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung aufweisen und eine kalkulierbare Wirtschaftspolitik betreiben. Insofern tragen Direktinvestitionen nicht generell zur Überwindung der wirtschaftlichen Spaltung der Welt in Arm und Reich bei.

Das Zahlenwerk der Unctad ist nicht gerade homogen. Dürfen wir ihm Glauben schenken?

Sie brauchen die Direktinvestitionsstatistik nicht zu fälschen, diese Statistiken verfälschen sich selbst und das nicht nur durch unterschiedliche Erfassungsmethoden. Sie verzerren die Herkunfts- und Zielländer, wenn – wie es häufig geschieht – Holdinggesellschaften zwischengeschaltet werden. Dadurch erhält beispielsweise Luxemburg, das mit 126 Milliarden Dollar Kapitalzufluss 2002 an der Spitze steht, ein viel zu hohes Gewicht. Gravierende Verzerrungen bringt die Akquisition von Multis durch Multis. Ein Beispiel: Eine Firma in Land A kauft eine Firma in Land B. Diese verfügt über Auslandsaktivitäten in weiteren Staaten. Die Unctad weist jedoch die gesamte Transaktion als eine von Land A in Land B aus.

INTERVIEW: HERMANNUS PFEIFFER