piwik no script img

Archiv-Artikel

Schule war mal erfolgreich

Grundschulstudie KESS bescheinigt Einschulungsjahrgang 1999 in der vierten Klasse sehr gute Leistungen. Neue Kürzungen des Senats gefährden diesen Erfolg. Studie noch unter Verschluss, aber Berliner Wissenschaftler stellten Ergebnis in Netz

Von Kaija Kutter

Die Auswertung der im Juni 2003 durchgeführten KESS-Grundschulstudie unter rund 14.000 Hamburger Viertklässlern liegt zwar noch nicht vor – denn, so verlautete es gestern aus Wissenschaftlerkreisen, die Ergebnisse sollten zunächst noch mit den Daten der internationalen Grundschulstudie IGLU von 2002 verglichen werden. Doch was die Berliner Humboldt-Universität bereits jetzt als erste Tendenz bekannt gab, ist brisant. Sie stellt die aktuelle Kürzungspolitik von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig in Frage.

In 640 Klassen waren die Kenntnisse in den Fächern Deutsch, Mathe, Sachunterricht und Englisch untersucht worden. Das Resultat: Der KESS-Jahrgang schnitt besser ab als die Berliner Schüler, die sich ebenfalls 2003 einer Studie namens ELEMENT unterzogen hatten. Und er zeigte sogar erheblich bessere Leistungen als die Hamburger Fünftklässler, die 1995 in der LAU-Studie, der ersten Lernausgangsuntersuchung, getestet worden waren. „Die Schüler der 4. Klasse waren in etwa auf dem Stand der Mitte der 5. Klasse, die acht Jahre zuvor getestet wurde“, sagt der Bildungsforscher Rainer Lehmann, der sowohl 1995 LAU in Hamburg als auch 2003 ELEMENT in Berlin betreute. Da dies ein „Durchschnittswert“ sei, sage es auch Positives über die schwächeren Schüler aus.

Es gehörte zu Lehmanns Auftrag, die Berliner und Hamburger Studien zu vergleichen – weshalb sich diese Vorab-Publikation übers Internet nicht vermeiden ließ. Die Ergebisse führt er darauf zurück, dass Ex-Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) Mitte der 90er Jahre aus den nicht so guten LAU-Ergebnissen die richtigen Schlüsse gezogen und „zum richtigen Zeitpunkt das Richtige getan und durchgesetzt“ habe. Die jetzige Hamburger Regierung, so Lehmann, würde sich „nichts vergeben“, wenn sie dies anerkenne.

So habe Raab auf Basis der LAU-Daten einen „Belastungsindex“ erarbeitet und fortan Kriterien wie Migrantenanteil und Bildungsnähe der Eltern bei der Ressourcenverteilung beachtet. Außerdem wurden über 400 Stellen für die gezielte Lese- und Rechtschreibförderung „Plus“ und das Programm „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ) an den Schulen eingerichtet. Zudem habe sich die pädagogische Kultur geändert. Lehmann: „Die Grundschulen konzentrieren sich wieder darauf, den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen.“

„Es gab unter Raab eine Professionalisierung der Grundschularbeit“, erklärt auch Angelika Fiedler vom Hamburger Grundschulverband. Dies sei unter anderem durch „Plus“, die Einführung der Verlässlichen Halbtagsschule und die Schulprogrammentwicklung geschehen. Bedauerlich sei nur, dass seit dem Regierungswechsel 2001 „entscheidende Rahmenbedingungen“ wieder verändert worden seien. Fiedler: „Die Klassen sind größer geworden, die Sprach- und Leseförderung wurde jetzt um 20 Prozent gekürzt.“ Auch sei der KESS-Jahrgang noch ohne Notenzwang und mit der Möglichkeit, bis Klasse 4 nur Berichte zu erstellen, so erfolgreich gewesen. Seit diesem Jahr sind Noten ab Klasse 3 aber wieder Pflicht, was laut Fiedler die schwächeren Schüler entmutigt und das bloße Lernen für Zensuren fördert.

Der frühere Rechtssenat hatte dies für die richtige Antwort auf LAU und PISA gehalten – in Unkenntnis von KESS, versteht sich.