Totschläger zur Verteidigung

Polizeipräsident will Einsatzhundertschaften mit dem Tonfa ausstatten – zum defensiven Einsatz. Unter Experten gilt er als Totschlaginstrument. Selbst in der Polizeiführung wurde er bisher abgelehnt

VON PLUTONIA PLARRE

Alle Bundesländer haben ihn. Alle – außer Berlin. Das soll nun anders werden. Polizeipräsident Dieter Glietsch hat bei Innensenator Ehrhart Körting (SPD) beantragt, die insgesamt rund 2.000 Polizisten der geschlossenen Einheiten der Berliner Polizei mit dem so genannten Mehrzweckstock, besser bekannt als „Tonfa“, auszustatten. Von Körtings Zustimmung ist auszugehen. „Wenn der Polizeipräsident dafür ist, werde ich dem Rat der Fachleute folgen“, ließ der Innensenator über seine Sprecherin verlauten. Vom Koalitionspartner PDS war dazu gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Hauptstadtpolizei mit einem potenziellen Totschlaginstrument auszurüsten, das hat nicht einmal die CDU geschafft, deren Innensenatoren in den 90er-Jahren immer wieder mit der gewerkschaftlichen Forderung nach dem „Rettungsmehrzweckstock“ – wie der Tonfa intern beschönigend heißt – konfrontiert wurden. Der Grund: Die Polizeiführung war strikt dagegen. „Eine äußere Aufrüstung führt auch zu einer inneren“, meint etwa der frühere Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert (siehe Interview). Der übrige Führungsstab hatte diese Position mitgetragen, bis Piestert im Frühjahr 2003 in den Ruhestand ging. Unter Polizeipräsident Glietsch haben die ranghohen Herren nun eine Kehrtwendung um 180 Grad vollzogen. Nun trägt man die Einführung des Tonfa mit. „Das war ein Abwägungsprozess“, heißt es. Die Polizeieinheiten hätten nicht mehr den Ruf der Prügelknaben, sondern seien „reifer und gelassener“ geworden, so dass man ihnen aus Selbstschutzgründen nun den Tonfa an die Hand geben könne.

Im Gegensatz zum herkömmlichen Schlagstock aus flexiblem Gummi ist der Tonfa mit 60 Zentimetern 20 Zentimeter länger, aus starrem Material und verfügt über ein rechtwinklig angebrachtes Griffstück. Heiß begehrt bei den Einheiten ist er wegen seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten: Schlagen, Stoßen, Abwehren von Angriffen, Personen in der Bewegung blockieren und festhalten. Das Problem ist nur: Bei unsachgemäßer Handhabung ist der Stock wegen seiner größeren Schlagkraft außerordentlich gefährlich. Nicht umsonst gilt bundesweit, dass das Tonfa-Tragen im Polizeidienst an einen Grundlehrgang und regelmäßige Fortbildungslehrgänge geknüpft ist.

In Berlin war es es bislang nur den Sondereinsatzkommandos (SEK) sowie operativen Einheiten, wie Personenschützern, Fahndungs-, Aufklärungs- und Observationstrupps, gestattet, einen Tonfa mit sich zu führen. Eine flächendeckende Ausstattung aller Streifenpolizisten, wie sie die GdP fordert, ist bislang nur in Ländern wie Bremen, Bayern und Nordrhein-Westfalen erfolgt. Berlin ist aber das einzige Bundesland, in dem die geschlossenen Einheiten über keine Tonfas verfügen. Und das, obwohl der Bund die gesamte Ausrüstung für die Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizeien der Länder finanziert.

Das will Polizeipräsident Glietsch nun ändern. Mit dem Hinweis, der „Mehrzweckstock“ habe sich „als defensives Einsatzmittel“ bundesweit bewährt, hat er bei Körting darum ersucht,die geschlossenen Einheiten mit dem Tonfa ausstatten zu können. Als Erstes sollen die rund 400 Beamten der Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizei das Kampfgerät bekommen. Das Bundesinnenministerium hat bereits 20.000 Euro für die Finanzierung von 400 Stöcken bereitgestellt. Die übrigen müssen aus dem Polizeietat bezahlt werden.

Wer nach den positiven Erfahrungen im Bundesgebiet immer noch behaupte, der Mehrzweckstock sei ein Totschlaginstrument, „pflegt ein Vorurteil“, begründet Glietsch seine Entscheidung gegenüber der taz. Es handele sich um „keine Aufrüstung“, sondern um ein Einsatzhilfsmittel für die Polizisten „zur Eigensicherung“ seiner Beamten. Mit Blick auf die vielen verletzten Beamten beim diesjährigen 1. Mai, so Glietsch, werde immer wieder gefragt, warum ihnen der Tonfa vorenthalten werde. „Darauf weiß ich keine vernünftige Antwort.“ Bei strikter Beachtung der Trainingsvorschriften ließen die positiven Erfahrungen im Bundesgebiet auch nicht befürchten, dass der Stock mit übertriebener Härte eingesetzt werde.

CDU und Polizeigewerkschaften frohlocken. Mit dem Tonfa könne der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten endlich Einhalt geboten werden, meint der CDU-Abgeordnete Peter Trapp.